Bei Unwettern kann mit Fäkalien verunreinigtes Abwasser in die Flüsse gelangen, so auch bei der Aare. Eine Gemeinde hat deshalb nun ein Verfahren am Hals.
Aare
Dieses Foto vom 1. August zeigt, wie eine braune Brühe in die Aare bei Muri bei Bern schwemmt. - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei Unwetter kommen die Systeme an den Anschlag: Ungefiltertes Abwasser gerät in Flüsse.
  • Wegen Fäkalien in der Aare wurde gegen die Berner Gemeinde Muri Anzeige erstattet.
  • Aus Kostengründen lehnte die Gemeinde bislang Massnahmen, um Regen aufzufangen, ab.
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Starker Regen bei Unwettern überfordert die Kläranlagen. Immer wieder gelangt daher ungefiltertes Abwasser – und damit Fäkalien in Gewässer. Der Fluss verfärbt sich dann stellenweise braun. Wegen dieser Praxis sieht sich die Gemeinde Muri bei Bern nun mit einer Anzeige konfrontiert!

Das Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland sagt gegenüber Nau.ch, dass eine aufsichtsrechtliche Anzeige gegen die Einwohnergemeinde eingegangen sei. Es bestätigt damit eine Meldung der «Berner Zeitung».

Aare
Die Aare in Muri bei Bern: An Regentagen kann hier verdrecktes Abwasser reinlaufen. (Symbolbild) - keystone

Wegen des laufenden Verfahrens könne allerdings keine weitere Auskunft gegeben werden, so das Regierungsstatthalteramt weiter. Die fürs Umweltdossier zuständige Gemeinderätin Gabriele Siegenthaler Muinde liess auf Anfrage verlauten, für eine Stellungnahme sei es noch zu früh.

Aare führt bei Unwetter Fäkalien

Laut der «Berner Zeitung» prangert der Bürger in seiner Anzeige Missstände bei der Abwasserinfrastruktur an. Die Gesundheit der Bevölkerung werde durch das Ableiten des fäkalienhaltigen Abwassers in die Aare bewusst gefährdet. Und er fordert, dass Verbesserungen getroffen werden.

Dieses Video zeigt eine Entlastung im Winter bei tiefer Aare in Muri bei Bern. - zvg

Der Umweltingenieur Stefan Gautschi ist grosser Kritiker der aktuellen-Abwasser-Situation in seiner Gemeinde. Er selbst steckt zwar nicht hinter der Anzeige, setzt darin aber Hoffnungen: «Ich erwarte, dass die Situation umfassend technisch und juristisch überprüft wird», sagt er zu Nau.ch. «Schliesslich gelten auch für die Gemeinde Muri die globalen Nachhaltigkeitsziele.»

Hintergrund: In der Gemeinde gibt es ein Regenbecken, um das Wasser zwischenzuspeichern, sodass die Kanalisation nicht überlastet wird. Doch diese hat eine Kapazitätsgrenze. Ist dieses voll, wird das Abwasser-Regenwasser-Gemisch ungefiltert in die Aare geleitet.

Gautschi kritisiert, dass dieses Auffang-Becken zu klein sei. Bislang entschied sich die Gemeinde gegen einen Ausbau. Aus Kostengründen und mit der Begründung, das bestehende reiche aus. Gleichzeitig wurde ein grosser Schacht gebaut, der nun mehr Wasser zum immer noch gleich grossen Becken führt.

Muri bei Bern verteidigt Praxis

Er sagt: «Das System müsste so ausgelegt sein, dass bei einem Regen das problematische Abwasser zur Kläranlage gelangt. Aus Kostengründen hat die Gemeinde das Gegenteil gemacht.»

Gehst du gerne in der Aare baden?

Die Verantwortlichen liessen sich das Abwasser lieber «gratis» durch die Aare reinigen. Doch die Kosten dafür trage die Umwelt.

Er erklärt: «Im Abwasser stecken nicht nur Fäkalien, sondern viel Urin, welches für Fische schädlich ist. Ebenfalls kommen Strassenabwässer und Industrieabwässer im Abwasser vor.»

Gegenüber der «Berner Zeitung» versuchte die verantwortliche Gemeinderätin Gabriele Siegenthaler-Muinde zu beruhigen. Das Einleiten von «sehr stark verdünntem Abwasser» mit einem geringen Anteil an Fäkalien sei ein normales Vorgehen.

Kläranlage
Die Kläranlagen hierzulande funktionieren alle nach dem gleichen Prinzip. (Symbolbild)
Kläranlage
Das Problem dabei ist, dass starker Regen schnell zu einer Überforderung des Systems führt. (Symbolbild)
Kläranlage
So gelangt dann regelmässig ungeklärtes Abwasser in die Gewässer. (Symbolbild)

Auch die Gemeindebetriebe Muri betonten, dass die Praxis im Einklang mit dem Gewässerschutzgesetz stehe.

Die Fäkalien-Problematik besteht nicht nur in Bern. Beim schweren Unwetter Anfang Juli im Wallis warnten die Behörden sogar davor, Toilettenpapier in die WC-Schüssel zu werfen. Damals floss das Abwasser direkt in die Rhone – und damit weiter in den Genfersee.

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