Akademiker als Influencer
Wenn Wissenschaftler für die breite Öffentlichkeit kommunizieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Akademiker auf Social Media - da gehen die Meinungen auseinander
- Trivialisierung der Wissenschaft, sagen die einen; Chance für einen Dialog mit der Öffentlichkeit, sagen die anderen
- Doch in der Realität lösen sich diese Gegensätze vielfach auf, wie drei Wissenschaftler der Uni Basel zeigen
- Ein Psychologe, eine Chemikerin und ein Physiker haben sich erfolgreich in den sozialen Netzwerke etabliert
- Mit mehreren Tausend Followern haben sie den Status von Micro-Influencern
Akademiker auf Social Media: Trivialisierung der Wissenschaft, sagen die einen; Chance für einen direkten Dialog mit der Öffentlichkeit, sagen die anderen. Doch in der Realität lösen sich diese Gegensätze vielfach auf. Drei Wissenschaftler der Universität Basel zeigen, dass Kommunikation über Forschung nicht nur kompliziert oder trivial, sondern auch humorvoll und lebensnah sein kann. Mit mehreren Tausend Followern haben sie sich erfolgreich als Micro-Influencer in den sozialen Netzwerken etabliert.
Wissenschaftskommunikation übersetzt komplexe Forschungsinhalte in allgemein verständliche Sprache und macht sie so einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. In den sozialen Netzwerken ist dafür der Begriff «Science Communication» im Umlauf, findbar unter dem Hashtag #SciComm. Im Wesentlichen sind es die Pressestellen von Universitäten und Forschungseinrichtungen, die diese Aufgabe wahrnehmen. Zunehmend kommunizieren aber auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler direkt in eigener Sache, und das nicht erst seit der Fake-Science-Debatte.
Auch an der Universität Basel nutzen zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die sozialen Netzwerke, um ihre Forschung mit einer breiten Öffentlichkeit zu teilen. Dabei werden sie von verschiedenen Abteilungen der Universität unterstützt. Drei Beispiele zeigen, wie ein Psychologe, eine Chemikerin und ein Physiker erfolgreich populärwissenschaftliche Formate nutzen.
Psychologie: Podcasts aus dem Kleiderschrank
Dr. Robert Burriss ist Evolutionspsychologe, Postdoc und Experte für Liebe und Eifersucht. Einmal im Monat geht er mit seinem Podcast Psychology of Attractiveness auf Sendung, den er nun schon seit fast 10 Jahren betreibt. Das Hörerlebnis entspricht BBC-Standards. Mit Radiosprecher-Stimme trägt Burriss seine Skripte vor, in denen er neuste Forschungsergebnisse mit Fragen aus dem wahren Leben verbindet. Wenn man ihn fragt, wie er dieses professionelle Format schafft, dann ist die Antwort überraschend: Er produziere aus dem eigenen Kleiderschrank, denn dort finde er die beste Tonqualität.
Angefangen hat alles während seiner ersten Postdoc-Stelle in den USA. Burriss hatte Heimweh nach Grossbritannien und suchte nach Podcasts im Internet. Er fand wenig, was ihn fachlich interessierte und so kam er auf die Idee, seine eigene Sendung zu entwickeln. Das Umfeld war zuträglich: «In den USA wird man schon früh dazu ermutigt, sich als Experte zu positionieren. Es gibt weniger Ängste, der Prahlerei verdächtigt zu werden, und das hat mich ermutigt, mein eigenes Format auszuprobieren.»
Was ihn bis heute am Podcast-Medium reizt? «Ich bin ein eher introvertierter Typ und schätze das intime Format von Podcasts; es gibt einem das Gefühl, in einem persönlichen Gespräch zu sein. Ausserdem sehe ich beim gesprochenen Wort weniger Gefahr für Missverständnisse, wie das öfter mal bei der schnellen Netzwerk-Kommunikation vorkommt», so Burriss. Seine Beiträge veröffentlicht er im Nachgang zur Sendung auf seinem Blog mit rund 17'000 Followern.
Burriss sieht seinen Podcast in der Tradition des «Café scientifique», als ein Forum, wo er aktuelle und gesellschaftsrelevante Erkenntnisse teilen und zu einer öffentlichen Debatte beitragen kann. Auch in der Lehre und im Umgang mit den Studierenden habe sich der Podcast bewährt.
Chemie: Das Labor auf Instagram
Dr. Martina Hestericová ist Chemikerin und hat pünktlich zum internationalen Star-Wars-Tag ihr Doktorat abgeschlossen. Ihre Leidenschaft für die Naturwissenschaften lebt sie sieben Tage die Woche – sie bloggt fast täglich aus dem Labor, trägt gerne ulkige Science-T-Shirts oder -Leggings und backt in ihrer Freizeit Cupcakes mit biochemischen Formeln als Topping. Ihre bevorzugte Plattform ist Instagram, wo sie Bilder, Videoclips und kurze Erklärtexte zu ihren Experimenten postet. Dabei pflegt sie einen informellen und persönlichen Ton und steht mit ihren 23'000 Followern im regen Austausch.
Für Hestericová zählt der Gedanke der Gemeinschaft. «Forschung kann sehr einsam sein. Als Frau in den Naturwissenschaften war ich immer in der Minderheit und für mich war das Web 2.0 von Anfang an eine Möglichkeit, eine Community aufzubauen, in der ich mich austauschen und als Frau bestärkt fühlen kann.»
Und doch musste sich die Chemikerin zunächst in die Welt der sozialen Netzwerke einfinden und das englischsprachige Schreiben üben. Hier bot ihr der Universitäts-Blog Sci Five eine geeignete Plattform. Der Blog lädt Postdocs und Doktoranden ein, persönliche Geschichten über die Forschung und das akademische Leben zu teilen. Ergänzend dazu belegte sie einen Storytelling-Workshop. Mit dem Förderprogramm Antelope erarbeitete sie sich ein besseres Bewusstsein für ihre eigene Marke und Ausdrucksstärke.
«Die Arbeit an meiner Vermittlungskompetenz hat mir den Mut gegeben, mich öffentlich zu positionieren», sagt sie. «Ich empfinde eine soziale Verantwortung, der Öffentlichkeit meinen Laboralltag zu erläutern und so zu einer transparenten Forschungskommunikation beizutragen. Das Vertrauen in die Wissenschaft sinkt beständig und wir müssen etwas dagegen tun.»
Quantenphysik: Geht auch mit Charme
Dr. James Wootton ist Postdoc am Departement Physik und seit etwa drei Jahren als öffentlicher Botschafter für die Quantenwelt unterwegs. Sein komplexes Thema vermittelt er mit einer guten Prise Humor, und dabei gibt es kaum eine Plattform, die Wootton noch nicht ausprobiert hätte. In seiner experimentellen Phase war er auf Science Slams zugegen, versuchte sich im Metier des YouTube-Erklärvideos und schrieb Beiträge mit charmanten Revoluzzertiteln wie «Dieses Jahr habe ich den Leuten von Quantendingen erzählt, ob es ihnen gefiel oder nicht». Unterdessen hat er sich mit der Entwicklung von mobilen Apps international einen Namen gemacht und pflegt seinen eigenen Blog.
Wootton bezeichnet seine Kommunikationsaktivitäten als «Outreach» – was wahlweise als Sozialdienst oder Öffentlichkeitsarbeit übersetzt werden kann. Die soziale Komponente ist ihm wichtig. «Es könnte noch zwei oder drei Jahrzehnte dauern, bis Quantencomputer vollständig existieren», sagt Wootton. «Aber ich wollte, dass die Öffentlichkeit im Hier und Jetzt etwas davon hat. Darum fing ich an darüber nachzudenken, wie ich den Menschen helfen könnte, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich erkannte bald, dass sich meine Forschung besonders gut für spielerische Anwendungen eignet.»
Wootton hatte Glück, er konnte den nationalen Forschungsschwerpunkt QSIT mit seiner Idee überzeugen und erhielt 2016 ein einjähriges Stipendium für die Entwicklung von Outreach-Aktivitäten. Zeitgleich kam er mit der Universitätskommunikation in Kontakt, schrieb schon bald Beiträge für den englischsprachigen Blog Sci Five und wurde in den Uni News gefeatured. Daraus entwickelte sich sein Interesse an einem eigenen Blog, wo er sich innerhalb kurzer Zeit eine Fangemeinde von mehreren Tausend Followern aufgebaut hat. Er berichtet kontinuierlich über seine Projekte und Arbeit in der Forschungsgruppe Condensed Matter Theory & Quantum Computing.
Auf Woottons vielseitige Fähigkeiten ist unterdessen auch IBM aufmerksam geworden. Zukünftig wird er als eine Art Outreach-Beautragter für das Unternehmen arbeiten und dort Neueinsteigern helfen, sich mit der Quantentechnologie vertraut zu machen.