Angeklagter bestreitet Vorwürfe
Das Wichtigste in Kürze
- Heute Dienstag beginnt der Prozess gegen den Lokführer der Zugkollision von 2013 im Kanton Waadt.
- Im November 2016 erhob man gegen den Lokführer, der das Haltesignal missachtet habe, Anklage.
- Bei dem Aufprall kam der Chaffeur des entgegenkommenden RegioExpress ums Leben.
Die Gerichtsverhandlung in Yverdon-les-Bains ist der zweite Anlauf - ein erster Prozess war Ende Mai vertagt worden, weil der angeklagte Lokführer nicht vor Gericht erscheinen konnte. Grund dafür war sein psychischer Zustand. Diesmal erschien der 58-jährige Angeklagte vor Gericht.
«Ich habe nach vorne geschaut und ein grünes Rund gesehen», sagte der Lokführer am Dienstag vor Gericht. «Das ist unmöglich, sie sind bei Rot abgefahren und sie sind nicht farbenblind», entgegnete der Präsident des Regionalgerichtes des nördlichen Kantonsteils der Waadt. Welche Farbe damals also aufleuchtete, ist bislang unklar. Sicher ist aber, dass der Zug mit zwei Minuten Verspätung verkehrte. «Meine oberste Priorität war es, diese Verspätung zu verringern oder zumindest nicht grösser werden zu lassen», sagte der Angeklagte.
Der Lokführer arbeitet nach wie vor bei der SBB, allerdings heute im Büro. Er habe die Gefahr erst erkannt, als er den entgegenkommenden Zug gesehen habe, sagte der Lokführer. Sofort betätigte er die Notbremse und stand auf. Er hatte die Hand am Türgriff des Führerstandes, als es zum Aufprall kam.
SBB trug keine Schuld am Unfall
Zu dem
verhängnisvollen Unfall war es am 29. Juli 2013 gekommen. Der Regionalzug
Payerne-Lausanne kollidierte nach 332 Metern Fahrt nach dem Halt im
Kreuzungsbahnhof von Granges-Marnand mit dem entgegenkommenden RegioExpress
Lausanne-Payerne. Dabei wurde der
Lokomotivführer (24) des RegioExpress getötet. 26 der 45 Passagiere in beiden Zügen
wurden verletzt, sechs davon schwer. Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) hielt in ihrem Schlussbericht im Juli 2014 fest, dass der Zug im Bahnhof abfuhr, obwohl das Signal auf «Halt» gestellt war. Der Waadtländer Staatsanwalt Stéphan Johner verlangte am Dienstag einen Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Er forderte eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen bei einer Bewährungszeit von zwei Jahren. Ein Rotlicht zu überfahren, das könne jedem passieren, sagte der Staatsanwalt. Die Folgen seien «dramatisch» gewesen.
Die Waadtländer Staatsanwaltschat erhob im November 2016 Anklage gegen den Lokführer, der das Haltesignal missachtet hatte. Er muss sich wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verantworten.Nach dem Unfall geriet auch die SBB in die Kritik, weil der Bahnhof Granges-Marnand nicht mit einem Zugbeeinflussungssystem (ZUB) ausgerüstet war. Nach dem Unfall wurde zunächst das Vier-Augen-Prinzip eingeführt und der Fahrdienstleiter musste die Abfahrterlaubnis erteilen. Seit April 2016 ist das ZUB in Betrieb.
Die Eltern des verstorbenen Lokführers verlangten, dass auch eine Mitschuld der SBB vor Gericht geprüft wird, nachdem die Staatsanwaltschaft zunächst nicht auf eine entsprechende Klage eingetreten war. Nachdem das Waadtländer Kantonsgerichtes einen Rekurs gegen den Entscheid gutgeheissen hatte, musste die Staatsanwaltschaft dennoch gegen die SBB ermitteln. Sie teilte 2016 mit, dass die SBB keine strafrechtliche Verantwortung trägt. Es steht deshalb einzig der Lokführer vor Gericht.
Das wurde am Montag von mehreren Lokführern kritisiert, welche als Zeugen vor Gericht aussagten. Einer von ihnen stellte kurz vor der Mittagspause die Frage: «Warum gibt es nur einen Angeklagten heute?» Die Lokführer kritisierten auch der Druck wegen der Pünktlichkeit. Schwer wiege auch der Wegfall der doppelten Kontrolle, weshalb die Lokführer die ganze Verantwortung schultern müssten. «Früher hatte es sechs Augen, heute nur noch deren zwei», sagte einer. Jeder habe bereits einmal ein Haltesignal überfahren, auch wenn das der Alptraum eines jeden Lokführers sei, sagte ein Zeuge.