Apotheken rüsten mit selbstgemachten Medis auf
In der Schweiz können rund 1000 Medikamente nicht geliefert werden. Apotheker machen die Not nun zur Tugend und setzen immer mehr auf Eigenproduktionen.
Das Wichtigste in Kürze
- In Schweizer Apotheken fehlen aktuell knapp tausend Medikamente.
- Patienten sind verzweifelt, wenn sie die ihnen verschriebenen Medikamente nicht erhalten.
- Apotheker wissen sich zu helfen: Algifor und Ibuprofen stammen jetzt aus Eigenproduktion.
Die Situation ist aussergewöhnlich. In der Schweiz sind rund 1000 Medikamente von Lieferengpässen betroffen. Das bringt Ärzte, Apotheker und Patienten in Not.
Von Schmerzmittel über Antibiotika bis hin zu Psychopharmaka: Fast alle Medikamentengruppen sind davon betroffen.
Um die Engpässe abzufedern, stellen die Apotheken nun mehr Medis selbst her. So etwa Silvio Ballinari von der Zähringer Apotheke Ballinari in Bern. Er hat sein angestammtes Sortiment der selbst hergestellten Produkte vergrössert, unter anderem mit Ibuprofen. «Das ist inzwischen zu einem wichtigen Artikel geworden», so Ballinari zu Nau.ch.
Auch die Toppharm-Apotheke am Zürcher Paradeplatz produziert Ibuprofen. Die Herstellung des Ibuprofen-Sirups sei jedoch kompliziert und aufwendig, sagt Lorenz Schmid, Inhaber der Apotheke und Präsident des Zürcher Apothekerverbands.
Die Apotheken Dr. Noyer in Bern stellen wegen des Medikamenten-Mangels jetzt auch das Schmerzmittel Algifor selber her. «Bei uns heisst es nie, das haben wir nicht. Wir versuchen alle Lücken mit Eigenproduktionen zu füllen», heisst es auf Anfrage. Weil sich die Ibuprofen-Lage zugespitzt hat, sei neu eine Person einzig für die Herstellung des Präparats zuständig.
«Es braucht viel Überzeugungsarbeit»
Die selbst hergestellten Mittel sind zwar grundsätzlich willkommen, doch stossen sie bei den Kunden nicht immer auf Anhieb auf Anklang. So hätten Kunden oft das Gefühl, diese Produkte seien nicht so gut wie das Original, sagt Silvio Ballinari. Man müsse sie dann erst überzeugen.
«Es ist vergleichbar mit der Geschichte der Generika. Dort brauchte es zu Beginn auch viel Überzeugungsarbeit. Heute sind Generika selbstverständlich oder sogar noch beliebter», so Ballinari.
Die Kundschaft zu überzeugen, ist auch das täglich Brot von Lorenz Schmid. Denn betreffe der Mangel nicht Antibiotika, habe man gute Möglichkeiten, auf andere Produkte als die gewohnten auszuweichen. Zum Beispiel bei Schnupfenmittel. «Es kostet uns aber jeweils viel Überzeugungsarbeit, damit die Kunden das Äquivalent auch kaufen», so Schmid.
In Zukunft wollen die Apotheken versuchen, enger zusammenzuarbeiten. Um so den Engpass durch Medikamenten-Austausch abzufedern. Eine Idee sei eine Art Intranet, auf der zugänglich ist, welche Apotheke welches Medikament noch verfügbar hat. Doch spruchreif ist dies gemäss Schmid noch nicht.