Beizer: Gast «kann froh sein, wenn er noch bedient wird»
In einer Berner Oberländer Beiz kann man sich nur mit Zeichensprache verständigen. Der Wirt findet kein deutschsprechendes Personal. Das ist kein Einzelfall.
Das Wichtigste in Kürze
- Gastronomen aus dem Berner Oberland klagen über fehlendes Service-Personal.
- Weil es an ausgebildeten Mitarbeitenden fehlt, leidet der Service.
- Das Personal spricht teils kaum Deutsch oder Englisch. Das bringt Kommunikationsprobleme.
Die Beiz ist voll – und das ist ein Problem. Gastronom Massimo L.* (53) weiss nicht mehr, wo anfangen.
Er sucht händeringend nach Personal. Bisher konnte er sich dank guten Leuten, die lange blieben, über Wasser halten.
Diesen Sommer aber ist alles anders.
Im Service des italienischen Restaurants im Grossraum Spiez BE arbeiten neu eine Ukrainerin und eine Spanierin. Beide geben sich Mühe, hören aufmerksam zu und eilen durch die Beiz. Doch beide haben keine Gastro-Erfahrung und sprechen weder Deutsch noch Englisch.
«Ich finde einfach keine gut ausgebildeten Leute mehr», sagt Massimo verzweifelt. «Jetzt muss ich Anfänger einstellen. Der Service wird dadurch schlechter.»
Kellnerin Jana K.* (36), die seit Jahren im Betrieb arbeitet, ist verzweifelt. «Wir sind heillos überlastet», sagt sie.
Die Folge: «Den normalen Service können wir nicht mehr bieten. Und es ist leider kein Ausnahmezustand. Das bleibt wohl länger so.»
Gäste müssen mit Zeichensprache bestellen
Was das bedeutet, zeigt sich auf der gut besuchten Terrasse. Gäste fragen dreimal nach dem Dessert und der Karte. Fragen sie die spanische Kellnerin nach der Rechnung, versteht sies erst mit Zeichensprache. Und sagt dann «un momento».
Solche Szenen sind kein Einzelfall. André Gribi führt das Restaurant Des Alpes in Interlaken BE im Mandat. Und er ist am Restaurant Pier 17 in Oberhofen am Thunersee BE beteiligt.
Er bestätigt gegenüber Nau.ch: «Personal zu finden, ist eine Herausforderung, obschon auch die Gehälter nicht mehr auf tiefem Niveau sind.»
Gutes Personal sei tatsächlich Mangelware. «Und wenn man das Personal hätte, fehlen die Personalwohnungen.» Das Problem werde noch grösser, da keine Jungen mehr nachkommen, so der Gastrounternehmer.
«‹Der Gast ist König› ist vorbei»
Das habe auch Auswirkungen auf die Qualität des Services, sagt Gribi. «‹Der Gast ist König› ist vorbei. Er kann froh sein, wenn er noch bedient wird.»
Schweizer könne man kaum noch rekrutieren. «Über meine verschiedenen Firmen habe ich 22 Personen im Service, davon sind drei Schweizer.»
Zwar versuche man im Service nur Personal einzustellen, das Deutsch spricht. «In der Hauptsaison machen wir aber Ausnahmen, da in Interlaken 90 Prozent der Gäste Englisch sprechen.»
André Gribi sagt: «Das Kommunikationsproblem hat also nur der, der nicht Englisch kann.» Das verärgere zwar die Einheimischen. «Aber intern ist die Kommunikation sowieso in Englisch, da das Küchenteam meist aus verschiedensten Ländern zusammengewürfelt ist.»
Diesen internationalen Trend bestätigt auch eine Mitgliederumfrage des Branchenverbands Gastrosuisse. Zwei Drittel der befragten gastgewerblichen Betriebe geben an, dass ihr Betrieb auf ausländisches Personal angewiesen ist.
*Namen von der Redaktion geändert