Berner Beizer nerven sich über schlechte Strassenmusiker
Strassenmusiker prägen das Stadtbild von Bern. Eine Gastro-Umfrage zeigt: Meist erfreuen sie die Gäste. Doch manchmal sind sie betrunken und werden aggressiv.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Leser erlebt einen Streit mit einem Strassenmusiker in der Stadt Bern hautnah mit.
- Eine Umfrage zeigt: Strassenmusiker sind in der ganzen Stadt ein kontroverses Thema.
- Hie und da treten die Künstler betrunken auf und belästigen Gäste.
Nau.ch-Leser Leonard C.* schlendert mit Freundinnen durch die Berner Münstergasse.
Aus der Ferne hört die Gruppe Rockmusik und folgt den Klängen. «Dann sehe ich einen Musiker, der sich mit einer Frau unterhält, die wild mit den Händen fuchtelt», erzählt Leonard.
Sie schreit: «Hör auf zu spielen, es ist viel zu laut!» Die Frau wolle sich im Restaurant in Ruhe unterhalten können. Sie droht dem Musiker, der mit Verstärker Songs von Pink Floyd spielt, mit der Polizei.
Der Nau.ch-Leser geht auf den Musiker zu, der sich als Luis vorstellt. «Unglaublich! Sie ist die Einzige, die ein Problem hat», sagt dieser.
Doch die Frau lässt nicht locker.
Dann geschieht etwas Unerwartetes: Gäste aus der gegenüberliegenden Beiz stellen sich auf Luis' Seite: «Lass ihn spielen, die Musik ist wunderschön!», ruft jemand. Ein anderer sagt: «Warum machst du so ein Drama?»
Leonard schlägt vor: «Spiel doch ein paar Häuser weiter, wir setzen uns dorthin.» Der Musiker, folgt dem Vorschlag und spielt sogar sein Wunschlied – ein Klassiker von Neil Young. Es kommen sogar Gäste der anderen Beiz vorbei, um Geld einzuwerfen.
Leonard und den Musiker mag sie geärgert haben – doch gesetzlich hat die Frau recht: Wie die Gewerbepolizei Bern auf Anfrage von Nau.ch erklärt, ist Verstärker-Nutzung in der Münstergasse verboten.
«Das ganze Ambiente ging kaputt!»
Strassenmusiker sind in der Berner Innenstadt allgegenwärtig – und ein kontroverses Thema. Doch wie sehen die Gastronomen die musikalische Untermalung vor ihren Lokalen? Nau.ch hat nachgefragt.
Der Geschäftsführer eines Restaurants in der Berner Innenstadt, der anonym bleiben will, sagt: «Wenn die Musik gut ist, freut das Personal und Gäste. Aber bei schlechter Musik, die lange andauert, ist das schrecklich, der reinste Horror!»
Er nennt ein Beispiel: «Einer hat eines Abends italienische Lieder gesungen und jeden Ton verfehlt. Ich dachte, ich bekomme einen Gehörschaden. Das ganze Ambiente ging kaputt!»
Doch es ist nicht immer die Musik, die für Unmut sorgt. «Einmal wurde ein Strassenmusiker beim Geldsammeln so aufdringlich und aggressiv, dass wir die Polizei rufen mussten», berichtet der Betreiber. Das sei jedoch ein Einzelfall, betont er: «Die meisten sprechen sich vorher mit uns ab.»
Der Gastronom möchte den Strassenmusikern nicht unrecht tun: «Sie prägen das Stadtbild. Viele von ihnen haben wenig und möchten mit ihrer Musik einen Beitrag leisten.»
Gast gibt Musiker 50 Franken – damit er Ruhe gibt
Xenia, Barkeeperin des Departements 66 in der Rathausgasse, bemerkt: «Musiker, die Pop-Songs spielen, kommen bei unseren Gästen weniger gut an.»
Auch sie kennt extreme Fälle: «Ein schlechter Jimi Hendrix-Abklatsch, der meistens betrunken ist, kommt natürlich schlecht an.»
Aufdringliches Betteln sei ebenfalls störend, aber das sei die Ausnahme. Grundsätzlich wisse man die Strassenmusiker zu schätzen: «Die Polizei mussten wir bisher noch nie rufen.»
Jürg Sollenberger, Geschäftsführer des Restaurants Santa Lucia am Bärenplatz, hat ebenfalls seine Erfahrungen gemacht: «Einmal hatten wir einen Dudelsack-Spieler, der die Gäste extrem genervt hat.»
Doch solche Vorkommnisse seien selten, wie die Gastronomen betonen. Und: Nicht nur die Musiker fallen manchmal negativ auf. Der anonyme Gastronom erinnert sich: «Ein Gast gab einem Musiker 50 Franken, nur damit er aufhört zu spielen. Das fand ich wirklich entwürdigend.»
Rock und Blues kommen am besten an
Besonders gut kommen ältere Musikstile bei den Gästen an.
Der anonyme Gastronom schwärmt: «Ein Musiker spielt Rhythm and Blues, sehr rockig. Der ist unglaublich. Da bleibe selbst ich stehen. Man will einfach nicht, dass er aufhört.»
Xenia im Departement 66 bestätigt: «Jazz und lateinamerikanische Musik kommen bei uns sehr gut an. Als Jazz-Bar wissen wir guten Jazz natürlich besonders zu schätzen.»
Sollenberger vom Santa Lucia ergänzt: «Wenn die Musik wirklich gut ist, freuen sich die Leute. Es ist immer gut, wenn etwas läuft.»
Trotz der positiven Resonanz gibt es auch eine unerwartete Folge, wie der anonyme Gastronom mit einem Augenzwinkern verrät: «Gute Musik hat manchmal einen merkwürdigen Einfluss auf das Trinkgeld. Manchmal gibt es für uns weniger, dafür profitieren die Strassenmusiker. Aber das haben sie sich auch verdient.»
Xenia vom Departement 66 bestätigt: «Da die Leute kaum noch Bargeld dabei haben, bleibt es bei ein paar Franken. Das stört uns aber nicht weiter.»
Fest steht: Strassenmusik bereichert das Stadtleben, kann aber auch stören – 2021 führten solche Konflikte sogar zu Lärmklagen.