Regierungsrat Müller gibt Fehler in Spesenaffäre zu
Regierungsräte im Kanton Bern verdienen pro Jahr knapp 280'000 Franken. Trotzdem wurden auch schon Kleinstbeträge wie eine Banane oder ein Brötli abgerechnet.
Das Wichtigste in Kürze
- Mitglieder der Berner Kantonsregierung rechnen teils auch Kleinstbeträge als Spesen ab.
- Auch Essen mit Gästen aus Wirtschaft und Politik tauchen auf Spesenabrechnungen auf.
- Dokumente zeigen zudem: Die männlichen Regierungsräte rechnen deutlich mehr Ausgaben ab.
- Einer der Kritisierten rechtfertigt sich, es seien Fehler gewesen.
Seit 2018 ist der Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) im Amt. Bis heute verdiente er über 1,3 Millionen Franken. Zusätzlich erhält er jährlich eine Spesenpauschale in Höhe von 8000 Franken. Trotzdem rechnet der Regierungsrat gelegentlich auch Kleinstbeträge als Spesen ab. Das zeigen Dokumente, die dem «Kassensturz» vorliegen.
Erwähnt wird etwa ein Bio-Mehrkornbrötli für 95 Rappen und eine Banane für 20 Rappen ab. Der Vermerk: «Verpflegung», die Gesamtkosten: 1.15 Franken. Auch ein «Laugenbretzeli mit Butter» für 3.20 Franken rechnete Philippe Müller über den Kanton ab – Vermerk: «Znüni PhM». Mittlerweile hat er sich dazu geäussert.
Die Abrechnung solcher Kleinstbeträge sorgt in Bern für Kopfschütteln und Kritik. Daniel Wyrsch, Geschäftsführer des Bernischen Staatspersonalverbands und SP-Mitglied, sagt: «Bei einem Jahresbruttoeinkommen von knapp 280'000 Franken finde ich das sehr kleinlich und peinlich.»
Wyrsch betont, dass Kantonsmitarbeitende solche Abrechnungen nicht machen können. «Jeder nimmt da sein Znüni selbst mit.» Auch Kuno Schedler findet solche Kleinstauslagen fragwürdig. Der Professor für Public Management an der Uni St. Gallen betont, dass «bereits die Bearbeitung» 25 bis 30 Franken kostet.
Männliche Regierungsräte rechnen mehr ab
Auch Essen mit Gästen aus Wirtschaft und Politik tauchen laut dem Bericht auf den Spesenabrechnungen der Berner Regierungsräte auf. Insbesondere auf jenen von Philippe Müller (FDP), Pierre Alain Schnegg (SVP) und Christoph Ammann (SP).
Dabei werde auch ab und zu bereits beim Mittagessen Wein getrunken. Neben der festen Spesenpauschale haben die drei Regierungsräte demnach zusätzlich mehrere Tausend Franken abgerechnet. Im Gegensatz dazu haben die Regierungsrätinnen im Kanton Bern jeweils nur wenige Hundert Franken in Rechnung gestellt.
Solche Treffen gehören für Experte Schedler grundsätzlich zum Job eines Regierungsrats. Sofern sie im Interesse des Kantons sind: «Wenn es um die Beziehungspflege geht, um wichtige und persönliche Gespräche, sind solche Essen gerechtfertigt.»
Ein Vergleich zeigt zudem, dass die Spesenpauschale für die Mitglieder der Berner Kantonsregierung mit 8000 Franken eher tief ist. Im Kanton Genf beispielsweise beträgt die jährliche Spesenpauschale 34'000 Franken – im Kanton Zürich gut 12'700 Franken. In vielen anderen Kantonen können hingegen keine Klein- und Kleinstauslagen einzeln als Spesen angegeben werden.
Die Regierungsrätinnen und Regierungsräte nahmen gegenüber «Kassensturz» keine Stellung zu den Spesenbelegen. Gemäss dem Kommunikationsbeauftragten der Berner Kantonsregierung, Reto Wüthrich, seien diese Auslagen aber rechtens.
Philippe Müller: «Falsch verbucht»
Mittlerweile hat sich Sicherheitsdirektor Müller aber auf X, vormals Twitter geäussert und relativiert: «Es gibt zwei Bretzel und eine Banane, die falsch verbucht wurden», schreibt er, «mein Fehler.» Dies sei in den Jahren 2018 und 2019 geschehen, seither habe er keine Kleinstspesen abgerechnet. Das Bild, das gezeichnet werde, «würde auch mich empören», aber es sei ein falsches.
Zuvor hat auch der Kanton Bern Stellung bezogen: Die Kritik sei ungerechtfertigt, kein Regierungsmitglied rechne Kleinstbeträge als Spesen ab – «erst recht nicht systematisch». Zudem wird der «Kassensturz» kritisiert: Es seien hunderte von Spesenbelegen angeschaut und lediglich zwei Einzelfälle gefunden worden.
Wie es im Bericht heisst, verlangte SRF Einsicht in die Spesenabrechnungen der Berner Kantonsregierung von 2018 bis 2021. Bei der Anfrage im Jahr 2023 wurde demnach auf das Öffentlichkeitsprinzip verwiesen.
Die Staatskanzlei des Kantons Bern lehnte das Einsichtsgesuch zuerst ab und machte den «unverhältnismässigen» Aufwand geltend. Zudem hiess es, der Inhalt sei zu heikel.
Nachdem der «Kassensturz» Beschwerde gegen den Entscheid eingelegt hatte, rückte der Kanton Bern die Dokumente heraus. Das geschah, noch bevor das Berner Verwaltungsgericht einen Entscheid fällte.