Bschiss-Skandal: Unterschriften-Firmen setzten Initiant unter Druck
Die kommerziellen Unterschriften-Sammelfirmen setzen auch Initianten unter Druck. Sie sammeln auch Signaturen ohne Auftrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Unterschriften-Sammler setzen bei der Akquise die Initianten unter Druck.
- Teils sammeln sie auch ohne Auftrag und bieten die Signaturen dann an.
- Die Schulung der Sammler beschreibt ein Initiant als «Zirkus».
Kommerzielle Firmen bieten Hilfe beim Sammeln von Unterschriften für Initiativen und Referenden an. Oft werden aber Signaturen gefälscht, wie Tamedia berichtete. Und schon bei der Akquise neuer Kunden gehen einige Anbieter zumindest fragwürdig vor.
Dies zeigt der Fall von Elias Vogt: Er stellte im Januar zwei Anti-Windkraft-Initiativen vor – und erhielt am nächsten Tag Besuch an seinem Wohnort. Zuerst sei der Inhaber einer Sammelfirma in einem dicken Mercedes vorgefahren. Er bot Vogt Unterschriften in «guter Qualität» an. Am Abend erhielt er Besuch eines Inhabers einer anderen Westschweizer Sammelfirma.
Der Windkraft-Gegner beschreibt die beiden Männer als «extrem aufdringlich». Er habe sie mehrfach bitten müssen, sein Grundstück zu verlassen. Mit den beiden Besuchen war es aber noch nicht getan: In den folgenden Tagen erhielt Vogt weitere Nachrichten und Anrufe anderer Firmen.
Vogt und das Initiativ-Komitee entscheiden sich dann für ein Sammel-Unternehmen, das sie nicht ungebeten kontaktiert hatte. Zuerst wurde ein Auftrag für einige Hundert Unterschriften gegeben.
Initiant: Schulung der Sammler war wie im «Zirkus»
Vogt reiste also nach Lausanne, um die Sammler zu schulen, und erhielt einen schlechten Eindruck: Die Angestellten hätten wie Geknechtete gewirkt, während des Referats habe es regelmässig bejahende Zwischenrufe und sogar kollektiven Applaus gegeben. Der Chef habe ihm das Gefühl geben wollen, dass alle seiner Meinung seien, sagt Vogt und beschreibt es als «Zirkus».
Die Sammler beginnen in der Folge mit ihrem Job, nach wenigen Tagen haben sie die geforderte Menge Unterschriften zusammen. Der Chef verlangt dann einen weiteren Auftrag – zu einem um 15 Prozent höheren Preis. Ohne Vogts Einwilligung sammelt er weiter und bietet die zusätzlichen Unterschriften an. Vogt aber blockt ab.
Nun erhält er Anrufe der Sammler. Sie könnten ihren Job und das Einkommen verlieren, wenn sie nicht sammeln könnten, klagen sie. Vogt sagt, ein Sammler habe gar erzählt, seine Frau und sein Kind müssten hungern, wenn der Auftrag nicht erneuert werde.
«Gipfel der Frechheit»
Auch von einer anderen Firma wurden Vogt Unterschriften angeboten. Sie hatte ohne Auftrag 5000 Signaturen gesammelt. Bei der Begutachtung fiel aber auf, dass Angaben zum Komitee auf den Bögen fehlten. Die Unterschriften waren also allesamt wertlos. Vogt lässt die Sammelfirma durch einen Anwalt abmahnen, sie solle keine Unterschriften mehr sammeln.
Zwei Wochen später meldete sich das Unternehmen erneut, diesmal mit Hunderten beglaubigten Unterschriften. Vogt geht davon aus, dass eine Gemeinde die Unterschriften nach der Beglaubigung versehentlich an die Sammelfirma geschickt habe. «Die Firma wollte mir Unterschriften verkaufen, die wir selbst gesammelt hatten», sagt Vogt. Es sei der «Gipfel der Frechheit».
Vogt ist nicht der Einzige, für den Unterschriften ohne Auftrag gesammelt und dann angeboten wurden: Gleiches erlebte auch Andreas Faller, der Initiant der Versorgungsinitiative. Ihm wurden 5000 bis 10'000 Unterschriften von einer nicht beauftragten Firma angeboten.