Bundesgericht erstmals eidgenössische Abstimmung aufgehoben
Das Schweizer Bundesgericht hebt erstmals seit 1848 eine eidgenössische Volksabstimmung auf.
In der Schweiz hat das höchste Gericht erst einmal in der Geschichte des Landes seit 1848 das Resultat einer eidgenössischen Volksabstimmung aufgehoben. Das Bundesgericht erklärte 2019 die Abstimmung zur CVP-Volksinitiative gegen eine Heiratsstrafe für ungültig. Dies, weil der Bundesrat vorgängig falsch informiert hatte.
Das Bundesgericht hielt damals in seinem Entscheid zu einer Beschwerde der CVP fest, dass der Bundesrat den Stimmberechtigten im Abstimmungskampf 2016 Fehlinformationen geliefert habe. Dadurch sei die Abstimmungsfreiheit verletzt worden. Dies hielten die Lausanner Richter bei der öffentlichen Beratung 2019 fest.
Fehleinschätzung führt zu Annullierung
Eine andere Abstimmungsbeschwerde lag dem Bundesgericht bereits einmal vor. Nach dem knappen Ja zur Unternehmenssteuerreform II 2008 hatte die SP eine Annullierung verlangt und damit begründet, dass der Bundesrat die Steuerausfälle für den Bund zu tief eingeschätzt habe. Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab und argumentierte mit Rechtssicherheit – die Reform war bereits in Kraft.
Bei der Heiratsstrafe hatte der Bundesrat erst mehr als zwei Jahre nach der Abstimmung darüber informiert, dass nicht wie in der Botschaft und in den Abstimmungsunterlagen publiziert 80'000 Zweiverdienerehepaare, sondern rund 454'000 von der Heiratsstrafe betroffen seien.
«Schockierende» Fehlinformation
Die Mehrheit der Richter äusserte sich zu den vom Bundesrat damals gelieferten Zahlen mit klaren Worten. Es sei «geradezu schockierend», dass die Zahl nie korrigiert oder relativiert worden sei, sagte einer der Bundesrichter. Die Volksinitiative der damaligen CVP war im Februar 2016 mit 1'664'224 Nein- gegen 1'609'152 Ja-Stimmen verworfen worden, also mit 50,8 Prozent.
Eine Mehrheit der Kantone stimmte der Initiative zu. Das Bundesgericht schloss nicht aus, dass korrekte Informationen zu einem anderen Ausgang geführt hätten. Das Bundesgericht verlangte damals eine Wiederholung der Abstimmung. Die CVP (heute Mitte-Partei) gab aber bekannt, die Initiative nicht nochmals zur Abstimmung zu bringen und stattdessen eine neue Initiative zu lancieren.