Bundesgericht stimmt Einschränkung der freien Arztwahl zu
Krankenkassen dürfen bei «Ärztehopping» einen «Gatekeeper» einsetzen, urteilt das Bundesgericht. Die freie Arztwahl kann eingeschränkt werden.
Das Bundesgericht hat in einem Leitentscheid die Einschränkung der freien Arztwahl erlaubt. Krankenkassen dürfen demnach bei sogenanntem «Ärztehopping» einen Gatekeeper als Erstanlaufstelle vorschreiben.
Der Fall betraf eine Versicherte, die verschiedene unkoordinierte ärztliche Leistungen in Anspruch nahm. Ihre Krankenkasse verfügte, dass nur noch Kosten für Leistungen übernommen werden, die von einer Erstanlaufstelle erbracht oder angeordnet werden.
Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Versicherten ab. Es begründete dies damit, dass die Massnahme mit dem Grundsatz der freien Arztwahl vereinbar sei.
Bundesgericht verweist auf Patientenschutz
«Das Vorgehen der Krankenkasse kann auch den Interessen der Versicherten selber dienen», argumentiert das Bundesgericht laut «Blick». Die Patienten würden so vor medizinisch objektiv unnötigen Behandlungen oder Eingriffen geschützt.
Die Krankenkasse stützte sich bei ihrer Entscheidung auf ein Gutachten. Dieses kam zum Schluss, dass die bisherige unkoordinierte Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen keine wirksame und zweckmässige Behandlung darstelle.
Reaktionen auf das Urteil
Der Krankenkassenverband Santésuisse begrüsst den Entscheid, wie «SRF» berichtet. Der Verband sieht darin ein Mittel, «um in Extremfällen intervenieren und Versicherte in ein Gatekeeper-Modell einteilen zu können».
Die Patientenorganisation SPO zeigt überraschend Verständnis für das Urteil. «Die freie Arztwahl kann auch überfordern», sagt Geschäftsführerin Susanne Gedamke gegenüber «SRF». Erstanlaufstellen könnten für Patienten sehr hilfreich sein.
Kritisch sieht die SPO jedoch, dass die Richter mit dem Finger auf «Ärztehopper» zeigten. «Es ist ja nicht so, dass Patienten freiwillig zu verschiedenen Ärzten gehen, sie machen das eher aus einer Hilflosigkeit heraus».
Auswirkungen des Urteils
Der Sozialversicherungsexperte Thomas Gächter von der Universität Zürich erwartet keine Flut von Zwangszuweisungen zu Gatekeepern. Wie «SRF» berichtet, rechnet er damit nur in seltenen Extremfällen, «wenn auffällig viele Rechnungen zu bezahlen sind».
Santésuisse betont, dass das Urteil nicht ausreiche, um Gatekeeper-Modelle zum Standard für alle zu erklären. Dafür seien Gesetzesänderungen nötig, wie der Verband gegenüber «SRF» erklärt.
Erstmals Einschränkungen im Standardmodell
Die freie Arztwahl ist in der Schweiz ein wichtiges Prinzip, sie erlaubt Versicherten, selbst zu entscheiden, welchen Arzt sie aufsuchen. Einschränkungen gibt es bei alternativen Versicherungsmodellen, die günstigere Prämien im Gegenzug für eine eingeschränkte Arztwahl anbieten.
Das Standardmodell garantiert bisher die freie Arztwahl. Kritiker sehen darin einen Kostentreiber im Gesundheitswesen, Befürworter betonen die Wahlfreiheit und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.
Das aktuelle Urteil könnte die Debatte neu entfachen, da es erstmals Einschränkungen auch im Standardmodell erlaubt.