Coop passt neue Waage nach Beschwerden an
Seit Anfang Jahr ist die Gemüse- und Früchtewaage bei Coop und Co. anders konzipiert. Die Folge: Menschen mit Sehbehinderung können nichts mehr erkennen.
Das Wichtigste in Kürze
- Dominik Gertschen stösst mit seiner Sehbehinderung immer wieder auf Hürden.
- Neu jetzt auch beim Wägen von Früchten und Gemüse bei Coop.
- Der Grossverteiler reagiert. Anpassungen seien bereits in Umsetzung.
Kürzlich geht Dominik Gertschen wie so oft bei Coop einkaufen. Als er seinen Broccoli abwägen will, ist er verwirrt. Irgendetwas funktioniert nicht so wie sonst.
«Was schon herausfordernd ist, wird noch herausfordernder!», schreibt Gertschen später auf Linkedin. Denn die Waagen bei den Grossverteilern sind seit Anfang Jahr neu konzipiert.
Beim Wägen wird nun gefragt, ob der Kunde den Apfel oder die Tomate unverpackt auf die Waage legt. Oder im Plastikbeutel, im Papierbeutel oder dem Multi-Bag.
Der Grund ist eine Gesetzesänderung.
Für Gertschen – der diese Änderung «als Privatperson nicht mitbekommen hat», wie er Nau.ch erzählt – eine Herausforderung.
«Als Mensch mit Sehbehinderung erkenne ich weder das Bild, noch kann ich die derart kleine Schrift lesen. Ich sehe nichts.»
Er würde sich mehr Kontrast oder eine Sprachausgabe wünschen. Und vor allem, «dass grosse Unternehmen bei solchen Änderungen unsere Fachexpertise einholen und uns einbeziehen. Sie haben ja auch ein Interesse an uns als Kunden», sagt Gertschen, der den Schweizer Blindenbund präsidiert.
In der Schweiz leben rund 400'000 Personen mit einer Sehbehinderung, rund 50'000 davon sind ganz blind.
Zu wenig Kontrast
Dass die neuen Waagen von Coop ein Thema sind, bestätigt auch Martin Abele. Er ist Geschäftsleitungsmitglied des Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes SBV. «Mehrere Mitglieder sind auf uns zugekommen», so Abele zu Nau.ch.
Und das nicht nur wegen der neuen Waagen bei Coop – sondern auch denen der Migros.
Die Waagen seien für Sehbehinderte nicht kontrastreich genug und somit nur schwer zu bedienen.
Infolge habe der Verband das Gespräch mit den Grossverteilern gesucht. «Eine Antwort ist noch ausstehend.»
Was dem Verband vor allem stinkt: «Dass die Grossverteiler das erneut an uns vorbei gemacht haben, obwohl wir stets im Austausch sind.» Jetzt müsse wohl wieder nachgebessert werden.
Coop: «Anpassungen sind in Umsetzung»
Genau das ist bei Coop bereits am Tun, wie Sprecher Caspar Frey auf Anfrage erklärt.
«Wir stehen diesbezüglich im Austausch mit dem Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband SBV. Die gewünschten Anpassungen sind bei uns bereits in Umsetzung.»
Frey hält zudem fest, dass sehbehinderte Personen in jeder Verkaufsstelle Hilfe in Anspruch nehmen können. «Unsere Mitarbeitenden sind sensibilisiert und helfen jederzeit gerne beim Einkauf.»
Das gilt auch für die Migros. Der Orange Riese hat ähnliche Waagen wie Coop, jedoch nicht genau dieselben.
Bei Gemüse oder Früchten ohne Verpackung kommt der Zettel auch dann raus, wenn man nur die Artikel-Nummer drückt. «Wir haben ein möglichst einfaches System gewählt», erklärt Mediensprecher Tristan Cerf auf Anfrage.
Die Mehrheit der Kundschaft wäge die Produkte ohne Tasche oder Säckli ab.
Wichtig sei zudem zu wissen, dass immer Personal vor Ort sei, das gerne helfe. «Besonders in der Gemüse- und Früchteabteilung», so Cerf. Denn auch Kundinnen und Kunden ohne eine Behinderung seien dort öfters auf Hilfe angewiesen.
Eine Änderung oder Anpassung bei der Waage sei konkret nicht geplant, theoretisch aber möglich.
«Natürlich prüfen wir regelmässig unsere Systeme und wir hören uns die Anliegen der Kundschaft gerne an», sagt der Migros-Sprecher.
Bis die Waagen angepasst sind, hat Dominik Gertschen seine Strategie. Er macht ein Foto des Bildschirms, zoomt es auf seinem Handy heran und kann so erkennen, was er drücken muss.