Coronavirus: Die wichtigsten Erkenntnisse der Wissenschaft
Mittlerweile sind über 125'000 Studien rund um das Coronavirus publiziert worden und es werden immer mehr. Ein Überblick über die jetzigen Kenntnisse.
Das Wichtigste in Kürze
- Nächste Woche jährt sich der erste Coronavirus-Fall in der Schweiz.
- Bis dato sind über 125'000 Publikationen rund um das Virus erschienen.
- Ein Überblick zu den wichtigsten Erkenntnissen und offenen Fragen.
Seit über einem Jahr erscheinen Schlag auf Schlag neue Studien rund um das Coronavirus, mittlerweile sind es über 125'000 Publikationen. Neben wegweisenden Arbeiten finden sich darunter auch viele von mangelhafter Qualität, einige Thesen wurden inzwischen über den Haufen geworfen. Ein Überblick zu den wichtigsten Erkenntnissen und offenen Fragen:
Startschuss: Anfang Januar 2020 entzifferten chinesische Virologen die Gensequenz des neuen Erregers mit dem vorläufigen Namen 2019-nCoV.
Superspreading-Events spielen Rolle bei Ausbreitung des Coronavirus
Ausbreitung: Der Berner Epidemiologe Christian Althaus und Julien Riou berechneten, dass eine infizierte Person im Durchschnitt 2,2 Personen ansteckt. Damit war klar, dass eine Pandemie droht. Das Tückische: Wenige stecken viele an und viele Menschen wenige oder niemanden. Superspreading-Events spielen demnach bei der Ausbreitung eine wichtige Rolle.
Gefährlichkeit: Obwohl eine Corona-Infektion oft mild oder gar asymptomatisch verläuft, «weiss man praktisch seit Beginn der Pandemie, dass Covid-19 deutlich gefährlicher ist als eine saisonale Grippe». Dies sagte Althaus gegenüber Keystone-SDA.
Letalität: Im März 2020 erschien eine Studie im Fachblatt «The Lancet Infectious Diseases». Diese errechnete für China eine Infektionssterblichkeit um 0,7 Prozent. Während Kinder demnach kaum an der Krankheit sterben, liegt die Infektionssterblichkeit bei über 80-Jährigen bei fast 8 Prozent.
«Die Zahlen sind abhängig von der Altersstruktur der Bevölkerung eines Landes und dessen Gesundheitswesen», so der Epidemiologe. Aber an einem Wert von 0,5 bis 1 Prozent für eine Bevölkerungsstruktur wie in den meisten europäischen Ländern sei kaum zu rütteln.
Ansteckung: Infizierte können das Coronavirus auch ohne Symptome übertragen. So machen präsymptomatisch Infizierte nach heutigem Wissenstand etwa die Hälfte aller Ansteckungen aus.
Übertragungsweg: Schmierinfektionen spielen bei der Übertragung des Virus wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle. Die Ansteckungen geschehen hauptsächlich über Tröpfchen oder Aerosole.
Krankheit: Covid-19 wurde als Lungenkrankheit bekannt. Ein Team um die Zürcher Pathologin Zsuzsanna Varga zeigte aber, dass das Virus auch Herz-, Hirn- und Nierengefässe sowie Gefässe im Darmtrakt angreifen kann. Die Studie wurde im April 2020 im Fachmagazin «Lancet» veröffentlicht.
Masken: Wissenschaftlichen Daten stützen den Nutzen von Masken, da sie den Träger sowie andere vor einer Ansteckung schützen.
Rolle der Kinder
Kinder: Das Hickhack um die Rolle der Kinder ist fast so alt wie die Pandemie. Die Faktenlage zeige aber klar, dass Kinder sich etwa gleich häufig anstecken und das Coronavirus verbreiten wie Erwachsene, sagte Althaus. «Wissenschaftlich war es nie haltbar zu behaupten, dass Kinder das Virus kaum übertragen.»
Medikamente: Ein Allheilmittel gibt es noch nicht. Die internationale Solidarity-Studie unter Leitung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zerschlug beispielsweise alle Hoffnungen, die zeitweise an den Medikamenten Remdesivir, Hydroxychloroquin, Lopinavir oder Interferon hafteten. Sie zeigten nur geringe oder keine Auswirkungen auf die Todesrate und die Dauer des Spitalaufenthalts. Ausserdem zögerten sie den Beginn einer Beatmung nicht hinaus.
Impfstoffe: Wirksame Impfstoffe entstanden im Rekordtempo. Aber: Wie lange hält der Impfschutz an? Verhindern die Vakzine auch Übertragungen und schützen sie vor den neuen Virusvarianten?
Psyche: Die Corona-Pandemie schlägt auf die Psyche, was sich besonders während der zweiten Welle manifestiert hat. Gemäss einer Umfrage der Uni Basel berichteten im November 2020 doppelt so viele von schweren depressiven Symptomen wie noch im Frühjahr.
Bei Long-Covid sind längere Nachbeobachtungen nötig
Langzeitfolgen: Im Januar 2021 erschien eine Studie in «The Lancet», die folgendes zeigte: Von 1733 hospitalisierten Covid-19-Patienten verspürten 76 Prozent noch nach sechs Monaten mindestens ein Symptom. Aber Langzeitfolgen betreffen auch Patienten mit weniger schlimmen Verläufen. Dies ergab eine Umfrage im Rahmen des Forschungsprojekts «Corona Immunitas» um den Zürcher Epidemiologen Milo Puhan. Um das gesamte Spektrum und die Dauer von Long-Covid zu erfassen, sind längere Nachbeobachtungen nötig.
Ursprung: Ein WHO-Team kam zum Schluss, dass das Coronavirus «höchstwahrscheinlich» von Fledermäusen über ein anderes Tier auf den Menschen übergesprungen sei. Weitere Untersuchungen zum genauen Weg seien nötig.