Coronavirus: Ethikerin kritisiert Impf-Unterteilung am Arbeitsplatz
Der Arbeitsalltag in Schweizer Firmen wird wegen des Coronavirus für Ungeimpfte immer ungemütlicher. Konzerne bauen durch Schutzkonzepte Druck auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Ringier lädt an sein Sommerfest nur Geimpfte ein.
- Auch in anderen Schweizer Firmen wird es für Ungeimpfte immer komplizierter.
- Ethiker und Gewerkschaften warnen vor einer Spaltung der Angestellten.
Letzte Woche kündigte das Schweizer Medienhaus Ringier an, am grossen Sommerfest des Konzerns vom 25. September nur Geimpfte teilnehmen zu lassen. Die Chefetage hatte kürzlich eine strenge, hausinterne Corona-Leitlinie beschlossen, die auch an Firmen-Events gilt.
Coronavirus: Ungeimpfte werden im Büro isoliert
Sprecherin Aline Theiler führt auf Anfrage die strengen Schutzmassnahmen für Ungeimpfte beim «Blick»-Herausgeber aus: «Die Anzahl Personen, die an physischen Meetings teilnehmen dürfen, liegt bei 8. Vor physischen Meetings müssen Roche-Schnelltests gemacht werden.»
Damit ist Ringier nicht alleine: In zahlreichen Schweizer Firmen wird der Arbeitsalltag für Ungeimpfte ungemütlicher. Mit der kommenden Zertifikatspflicht für Restaurants müssen Ungeimpfte beim Mittagessen wohl zudem Vorliebe mit der Kantine nehmen.
Der Gang mit den Kollegen zur Stammbeiz um die Ecke würde einen Test voraussetzen. Eine teure Angelegenheit.
Gewerkschaft warnt: «Unzulässig»
Die immer enger werdende Schlinge stösst auf Kritik. Nur doppelt geimpfte Personen an ein Firmenfest einzuladen, ist gemäss der Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle ein Graubereich. Auf der einen Seite gäbe es keinen Rechtsanspruch, an einem Firmenfest teilnehmen zu dürfen. Auf der anderen Seite würden sich bei solchen Entscheidungen auch immer zusätzliche moralische Fragen stellen.
Zum Beispiel bezüglich des Arbeitsklimas unter den Mitarbeitenden, wenn derart zwischen Geimpften und Ungeimpften unterschieden werde. «Und was ist mit den Getesteten und Genesenen?», fragt Baumann-Hölzle.
Die Ethik-Expertin warnt: «Wir müssen genau hinschauen, sonst fördern wir eine Spaltung der Gesellschaft.» Besonders jetzt sei es wichtig, differenziert und wachsam zu sein, und nicht «holzschnittartig» zu entscheiden.
«Wenn schon, müsste eine Firma sagen, wir verlangen von allen einen Test. Denn Geimpfte können ja auch Viren-Überträger sein», so Baumann-Hölzle weiter.
Unterscheide ein Arbeitgeber Geimpfte von Ungeimpften, habe er zudem Zugang zu Gesundheitsdaten der Mitarbeiter. Das sei ethisch und rechtlich äusserst heikel. «Dort spitzt sich die ethische und rechtliche Problematik zu».
Schliesslich müsse es das übergeordnete Ziel sein, dass alle in einer Gesellschaft friedlich zusammenleben können, ohne einander anzufeinden. «Wir alle tragen hierfür enorme Verantwortung».
Gewerkschaft: «Unterteilung ist unzulässig»
Kommunikationsleiter Serge Gnos von der Gewerkschaft Unia bläst ins gleiche Horn. «Eine Unterteilung Geimpfte-Ungeimpfte ist unzulässig. Aber beim Zertifikat ist ja diese Unterscheidung eben gerade nicht ersichtlich.»
Deshalb müsse es für Mitarbeitende zwingend eine kostenlose Testmöglichkeit am Arbeitsplatz geben, sollten Firmen die Zertifikatspflicht für interne Anlässe einführen.