Allergiker warten weiter auf alternative Covid-19-Impfstoffe
Aus diversen Gründen wollen oder können sich einige Personen nicht mit mRNA-Impfstoffen impfen lassen. In der Schweiz fehlen aber Alternativen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz setzt weiterhin ausschliesslich auf mRNA-Impfstoffe.
- Allergiker und Skeptiker wünschen sich Alternativen.
- Mit AstraZeneca, Johnson & Johnsen etc. wären diese zwar vorhanden – aber nur theoretisch.
Sie wollen, aber können nicht: Menschen mit Unverträglichkeiten und medizinischer Vorgeschichte verzichten auf die Covid-19-Impfung. Zumindest so lange, wie nicht auf andere Produkte als die beiden mRNA-Impfstoffe ausgewichen werden kann. Andere wiederum haben beim Stichwort «mRNA» kein gutes Bauchgefühl und wären froh um einen klassischen Impfstoff wie denjenigen von AstraZeneca. Wobei «klassisch» in diesem Fall heisst: Auf einem genetisch kastrierten Schimpansen-Virus basierend.
Alternative Impfstoffe kaum erhältlich
Was auch immer die Beweggründe für den Impfverzicht sind: An einen alternativen Impfstoff heranzukommen, ist derzeit praktisch unmöglich. Die Zahl der Personen mit Unverträglichkeiten sei auch nicht sehr gross, heisst es beim BAG und der Impfkommission unisono. An der Durchimpfungsrate würde sich deshalb auch nicht viel ändern, meint der Präsident der Impfkommission, Christoph Berger.
Aber vergessen gehen sollen diejenigen, die zum Beispiel auf den Hilfsstoff Polyethylenglykol (PEG) allergisch sind, trotzdem nicht. «Wir sind daran, uns Alternativen zu überlegen», verspricht Berger.
In Sachen Skeptiker sieht er zwar mehr Potenzial bezüglich der Impfquote. Aber es sei halt schwierig mit Alternativen: «Weil mRNA-Impfstoffe so gut und so sicher sind.»
Hoffnungsschimmer Covax-Initiative
Theoretisch hätte der Bund auch andere als die mRNA-Impfstoffe bestellt. Nebst den beiden vektorbasierten von AstraZeneca und Johnson & Johnson auch den Protein-basierten von Novavax. Letzterer gilt als vielversprechend, steckt aber immer noch in der Testphase. AstraZeneca ist in der Schweiz nicht zugelassen, Johnson & Johnson zwar schon, wurde aber vom Bund nie beschafft.
Das stellt Ärzte vor fast unüberwindbare Probleme: Anders als bei «normalen» Arzneimitteln können Sie nicht eben mal schnell eine Schachtel Corona-Impfstoff privat bestellen. Die Hersteller verkaufen ausschliesslich an Regierungen, vorzugsweise Millionen von Dosen. Als einzigen theoretischen Ausweg skizziert das BAG auf Anfrage ausgerechnet die Covax-Stiftung.
Diese kümmert sich um die faire Verteilung von Impfstoffen an ärmere Länder. Sie könnte aber auch der Schweiz «bei Bedarf» eine wohl kleinere Charge an Impfstoff von Johnson & Johnson liefern. Dazu scheint der Bund aber keine Veranlassung zu sehen. Abgesehen davon, dass es sich wohl imagemässig kaum rechtfertigen liesse, einem Entwicklungsland die Impfdosen abspenstig zu machen.
Sputnik, Sinovac – oder doch AstraZeneca?
Gerade für PEG-Allergiker wäre der Impfstoff von Johnson & Johnson ideal, weil er diesen Hilfsstoff nicht enthält. AstraZeneca enthält kein PEG, aber Polysorbat, welches wegen strukturellen Ähnlichkeiten doch wieder problematisch sein könnte. Aber da wären ja unter anderem auch noch Sinovac aus China oder Sputnik V aus Russland.
Diesbezüglich erklärt die Schweizer Zulassungsstelle Swissmedic: Mit einer Sonderbewilligung kann auch ein nicht-zugelassenes Produkt importiert werden. Verschiedene Kriterien müssen aber erfüllt sein. Dazu zählen: Es gibt keine zugelassene Alternative und das Produkt hat eine Zulassung in einem Land mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle.
Dies würde auf AstraZeneca sicher zutreffen, aber auch für Sputnik V läuft das Zulassungsverfahren in der EU bereits. Auch hier wäre das logistische Problem, dass Corona-Impfstoff nur an Regierungen verkauft wird, ungelöst. Die Schweiz beschafft von den vertraglich zugesicherten 5,3 Millionen Dosen von AstraZeneca zwar 4 Millionen. Doch diese gehen direkt an die Covax-Stiftung, die sie an Länder verteilt, die AstraZeneca auch zugelassen haben.
AstraZeneca-Zulassung läuft … und läuft …
Von diesen gibt es nicht wenige, auch wenn viele Länder im Frühjahr den Einsatz von AstraZeneca wegen Thrombose-Risiken vorübergehend aussetzten. Die restlichen 1,3 Millionen Dosen hat der Bund zwar für den Eigengebrauch vorgesehen, bestellt davon aber nichts. «Keine Zulassung, dementsprechend ist AstraZeneca nicht ein zentrales Element unserer Strategie», sagt BAG-Experte Patrick Mathys.
Keine Zulassung bedeute auch: Keine Impfempfehlung und damit keine Entschädigung bei Schäden aus Impffolgen, betont man beim BAG. Den Betroffenen rät das BAG zu Hygiene- und Schutzmassnahmen, «idealerweise» seien häufige Kontakte dieser Personen geimpft.
Beschafft werden vorerst einzig weitere 14 Millionen Dosen Pfizer-Impfstoff für 2022 und 2023. Gleichzeitig versichert der Bund, er strebe weiterhin ein Impfstoffportfolio mit verschiedenen Impfstofftechnologien an. Dies, «um zum Beispiel Menschen mit Unverträglichkeiten eine alternative Schutzmöglichkeit anzubieten». Unter anderem mit 5 Millionen Impfdosen von Curevac, doch dieser Impfstoff ist wegen zu wenig Wirksamkeit zurück auf Feld Eins.
Damit sind Allergiker und mRNA-Skeptiker zum Warten verdammt. Auch Swissmedic wartet, und zwar seit März auf «neue Daten» von AstraZeneca, während 174 Länder den Impfstoff bereits zugelassen haben. Bei Swissmedic heisst es dazu lediglich, der Zulassungsentscheid erfolge dann, wenn die Auswertung abgeschlossen sei. Aber immerhin: «Der Zulassungsprozess ist zurzeit im Gang.»