Coronavirus: Taxifirma-Besitzer kämpft ums Überleben
Vom erfolgreichen Geschäftsführer zum Krisenmanager und Organisator: Markus Kunz über die existenzbedrohende Lage in der Taxi-Branche.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor einem Jahr führte Markus Kunz mit Nova Taxi noch ein gesundes Unternehmen.
- Heute geht es der Taxi-Branche schlecht wie nie zuvor – wegen Corona.
- Wegen ausfallenden Aufträgen ist unklar, ob und wie die Zukunft der Firma aussieht.
- Der Geschäftsführer spricht über die grössten Herausforderungen, seine Ängste und Sorgen.
- In der Nau.ch-Corona-Serie teilen Menschen ihr Schicksal.
«Ob die Pandemie gerade mein ganzes Leben ändert, weiss ich nicht, ich denke eher nein. Corona hat aber sicher unsere Firma und damit meine täglichen Aufgaben sehr beeinflusst und verändert.» Markus Kunz ist Inhaber und Geschäftsführer des Berner Taxi-Unternehmens Nova-Taxi. Die rot-gelben Fahrzeuge prägen seit 1954 das Hauptstadtbild.
Die letzten Monate stellten für den Dienstleister eine Herausforderung dar, wie es sie in den vergangenen 66 Jahren nicht gab. «Von einem Tag auf den anderen gab es nichts mehr zu tun.» Mit den Entscheiden des Bundesrats von Mitte März fiel praktisch das gesamte Geschäft aus: Teilweise arbeiteten über 80 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice – Schulen wurden geschlossen. An Events und Ausgang, was ein beachtlicher Teil des Umsatzes ausmacht, war sowieso nicht mehr zu denken.
«Meine Aufgaben haben sich über Nacht vom Organisator zum Krisenmanager und Psychologen gewandelt», so Kunz über den Einfluss der Pandemie auf seinen Job als Geschäftsführer.
Nova Taxi war ein solides und gesundes Unternehmen
Noch vor einem Jahr führte Markus Kunz ein gesundes Unternehmen. Trotz digitaler Transformation und trotz Uber, dem Taxi-Dienst, der die Branche in Aufruhr versetzte, ging es dem Unternehmen gut. In den vergangenen zehn Jahren schrieb Nova Taxi nie rote Zahlen: «Der Gewinn war nie riesig, nach Abschreibungen blieb aber immer ein kleiner Gewinn.» Markus Kunz schätzte auch die sehr heterogene Kundenstruktur und vor allem die vielen Stammkunden.
Seit Mitte März haben die Taxifahrten im Allgemeinen um mindestens 90 Prozent abgenommen. Bei Nova Taxi betrug der Rückgang in Lockdown-Zeiten um die 60 Prozent. Die Fahrer, die noch auf den Strassen waren, konnten niemals kostendeckend arbeiten. Kunz: «Wir haben im März von unserer Hausbank den Covid-Kredit beansprucht, ungefähr 10 Prozent des Jahresumsatzes, um unsere Liquidität zu schonen.»
Denn obwohl in der ganzen Branche nichts mehr zu tun war, konnte das Geschäft nie schliessen – so konnte auch kein Gebrauch von anderen Unterstützungsmassnahmen gemacht werden. Die ganze Situation stellt eine enorme Herausforderung für die Firma, die Leitung wie auch für den einzelnen Fahrer dar.
Acht Stunden Nachtschicht und zehn Bestellungen
So sieht Kunz das Dilemma der Firma auch jetzt noch in der Auslastung – vor allem in der Nacht. Zwischen 23 und 7 Uhr gäbe es noch um die 45 Aufträge. Darunter fallen viele Vorbestellungen oder Daueraufträge. «Aus finanzieller Rentabilität müssten wir den Laden nachts dicht machen. Stammkunden haben aber Daueraufträge und wollen bedient werden – sonst sind sie weg.»
Da die Fahrer keinen fixen Lohn haben, sondern einen Anteil vom Umsatz erhalten, ist die Situation vor allem auch für sie sehr schwierig. Selbst wenn die Kurzarbeitsentschädigung den Verlust etwas ausgleicht: Wie viel die Angestellten am Ende des Tages nach Hause bringen, ist ungewiss. Es komme vor, dass Fahrer einen Stundenlohn von 4.50 Franken verdienen. Und da werde es schwierig, immer freundlich, hilfsbereit und gutgelaunt zu wirken.
Wirtschaftliche Situation bereitet Bauchweh
Zur eigenen Situation meint Kunz: «Meine Tage sind nicht mehr mit Arbeit überfüllt.» Und die wirtschaftliche Situation mache ihm «Bauchweh». Dies nicht primär wegen des eigenen Geldes, welches in der Firma stecke. Viel mehr beschäftige ihn die Situation der 120 Angestellten und der grossen Stammkunden. Auch wenn es aktuell nicht nach dem Schlimmsten aussieht, die Gedanken es nicht zu schaffen, gebe es auch. «Falls wir aufgeben müssten, hätten etliche Familienversorger kein Einkommen mehr und Stammkunden müssten sich neue Dienstleister suchen.»
«Ich versuche, positiv bei der Arbeit zu sein»
Die grösste Angst? «Der definitive Knicker für unsere Firma wäre, wenn sich so viele Mitarbeitende anstecken würden, dass wir temporär schliessen müssten.» Kunz persönlich könnte es sich auch nicht verzeihen, wenn sich ein Mitarbeiter während einer Dienstfahrt anstecken und schlimmstenfalls am Virus sterben würde.
Auch wenn die Bedenken, dass Nova Taxi die Krise nicht überstehen könnte, im Hinterkopf mitschwingen, beherrschen sie Markus Kunz nicht. «Ich versuche, positiv bei der Arbeit zu sein und die Mitarbeitenden zu motivieren.» Vieles sehe er mehr als Chance denn als Bedrohung.
Ungewisse Zukunftsaussichten
«Aktuell haben wir ein ausgeglichenes Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben, können aber keine Abschreibungen machen.» Gegenüber dem Vorjahresniveau seien die Fahrer jedoch nicht einmal 70 Prozent ausgelastet. So werde das grosse Loch vom Frühling bleiben. Und: der Kredit vom März muss bis in fünf Jahren zurückbezahlt werden.
Kunz beteuert, dass die ganze Branche auf Hilfe angewiesen wäre. Es seien nicht nur die direkten Zahlungen, die ihnen helfen würden. «Eine Reduktion oder ein Erlass von Steuern, Gebühren oder auch Mehrwertsteuern würden schon viel Entlastung bringen.»