Coronavirus: Was, wenn alle Intensivstationen voll wären?
Die vierte Welle bringt viele schwere Verläufe des Coronavirus mit sich. Die Intensivstationen stehen schon jetzt unter Druck. Was passiert im schlimmsten Fall?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Intensivstationen werden bald so voll sein wie zuletzt in der dritten Welle.
- Laut Fachpersonen landen viel mehr Covid-Patienten viel früher auf der Intensivpflege.
- Sollte es so weitergehen, müssten die Spitäler wieder zahlreiche Operationen verschieben.
Die kleineren Intensivpflegestationen der Schweiz sind teilweise schon mit Covid- und Nicht-Covid-Patienten voll belegt. Erste Spitäler müssen schon Operationen absagen, um Intensivplätze garantieren zu können. Neue Intensivpatienten aufnehmen ist nur mit viel Umstellen möglich.
Als die Pandemie Anfang 2020 ausbrach und sich die Intensivstationen füllten, wurde ein Lockdown angeordnet. Dies wiederholte sich im Winter. Mit Ach und Krach wurde Platz für Covid-Patienten mit schwerem Verlauf geschaffen. Heute aber ist ein Lockdown nicht mehr im Rahmen des Möglichen, andere Lösungen sind gefragt.
Eingriffe vorerst verschoben
Was müsste passieren, wenn es auf allen Intensivstationen kein Platz mehr gäbe? Philipp Lutz, Mediensprecher des Kantonsspitals St.Gallen, beschreibt auf Anfrage die dortige Lage.
«Wir haben seit Mittwoch einen Beatmungsplatz zusätzlich, wo wir Personal mit Nachdiplomstudium einsetzen, das aber in anderen Bereichen arbeitet. Diese können vorübergehend einen gewissen Teil ihres Pensums zur Verfügung stellen.»
Ab Montag könne das Kantonsspital zusätzliche je vier Intensiv- und Beatmungsplätze in Betrieb nehmen. «Das erreichen wir aber nur, indem wir Patienten für nicht dringliche elektive Eingriffe später aufbieten», erklärt er. Damit würden auf der chirurgischen Abteilung vorübergehend weniger Betten betrieben.
«Personal freispielen ist ein grosser Kraftakt»
Lutz unterstreicht explizit, wie schwierig es ist, Personal «freizuspielen». Es sei aufgrund der «sonst schon dünnen Personaldecke ein sehr grosser Kraftakt». Auf dem Niveau «nahe beim Normalbetrieb» sei es zudem nicht lange fortführbar, «höchstens für vier Wochen», sagt er. Vorausgesetzt, die Zahlen der Covid-Intensivpatienten nehmen nicht zu.
Falls dieses Szenario aber doch eintreten würde, müsse das Kantonsspital den Operationsbereich «massiv herunterfahren». Nur so könne Anästhesie- und anderes Personal freigespielt werden: «Das wollen wir so lange wie möglich vermeiden.»
Die Armee könnte nur wenig helfen, erläutert Armeesprecher Stefan Hofer. «Im Sinne der Priorisierung der Ressourcen haben Politik und Armeeführung die Militärspitalinfrastrukturen auf ein absolutes Minimum von einem Militärspital reduziert.»
Dieses steht in Einsiedeln SZ, sei als unterirdische Anlage für die Bewältigung einer Virus-Epidemie aber wenig geeignet. Deswegen konzentriere sich die Armee darauf, das zivile Gesundheitswesen zu unterstützen: «Die heute existierenden vier Spitalbataillone sind in der Lage, je rund 200 Betten zu betreiben.»
Bei diesen insgesamt 800 Betten handelt es sich aber betontermassen nicht um Intensivbetten. Dazu hätte die Armee auch nicht das Personal, denn Ärzte und Pfleger aus Spitälern aufzubieten wäre ja wenig sinnvoll. Das zivile Gesundheitswesen könnte so aber allenfalls indirekt entlastet werden. Höher qualifiziertes Spitalpersonal könnte dann eher im Intensiv-Bereich eingesetzt werden.