Coronavirus: Weniger Grippefälle dank Massnahmen

Jochen Tempelmann
Jochen Tempelmann

Bern,

Die Massnahmen gegen das Coronavirus ziehen weite Kreise. Dabei profitieren die belasteten Spitäler andernorts von den Massnahmen, erklärt ein Infektiologe.

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Das Coronavirus belastet die Intensivstationen. Dafür wurden deutlich weniger Fälle anderer Infektionskrankheiten verzeichnet. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Corona-Massnahmen haben auch auf andere Krankheiten einen deutlichen Einfluss.
  • Diesen Winter ist die Grippewelle bisher ausgeblieben.
  • Auch bei Tropen- und Geschlechtskrankheiten wird ein deutlicher Rückgang verzeichnet.

Die zweite Welle zeigt sich zäh: In Kürze endet der dritte Monat in Folge mit einschneidenden Massnahmen. Ein Vierteljahr ist vergangen, seit der Bundesrat Ende Oktober die Corona-Schraube mit Veranstaltungsverboten und Sperrstunden angezogen hat.

Doch was wir im Sinne des «Social Distancing» tun, schützt uns nicht nur vor Corona-Infektionen: Die Veränderung des Lebenswandels beeinflusst das epidemiologische Geschehen verschiedener anderer Infektionskrankheiten. Das erlebt Hansjakob Furrer, Chefarzt der Infektiologie des Berner Inselspitals, an vorderster Front.

Coronavirus: Viele Patienten bleiben lange auf den Intensivstationen

Die seit Wochen rückläufigen Corona-Zahlen verschaffen den Schweizer Spitälern eine dringend notwendige Verschnaufpause. Behandlungen, welche aufgrund der angespannten Lage aufgeschoben werden müssen, können vorsichtig wieder aufgenommen werden.

Coronavirus Interview Hansjakob Furrer
Hansjakob Furrer ist Chefarzt und Direktor der Universitätsklinik für Infektiologie am Berner Inselspital. - zVg

Doch die Entspannung vollzieht sich nur schleppend. Inzwischen werden rund viermal weniger Neuinfektionen registriert als auf dem Höhepunkt der zweiten Welle Ende Oktober. «Die Belastung infolge neuer Covid-19-Patienten ist im Inselspital deutlich zurückgegangen», kommentiert Hansjakob Furrer das epidemiologische Geschehen. «Was bleibt, sind die schweren Fälle, die lange auf der Intensivstation verbleiben.»

Noch immer liegen rund halb so viele Patienten mit dem Coronavirus auf Intensivstationen, wie zum Höhepunkt der zweiten Welle. Schweizweit bleibt ein Viertel aller Intensivbetten von Patienten mit Coronavirus-Infektion belegt. «Viele unserer Intensiv-Patienten leiden an einer überschiessenden Immunreaktion. Diese tritt rund zehn Tage nach Krankheitsbeginn ein und führt zu schweren und lange dauernden Verläufen, die weiterhin behandelt werden müssen.»

Keine Grippewelle dank Corona-Lockdown?

Dadurch bleiben Covid-19-Patienten im Vergleich zu anderen Infektionskrankheiten oft lange auf den Intensivstationen, erklärt Furrer. «Auch eine schwere Grippe kann zu Komplikationen führen, aber es ist eine ganz andere Krankheit mit weniger langwierigen Verläufen. Jahre mit schweren Grippeepidemien waren jedoch immer auch eine Belastung für die Intensivstationen.»

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Die Daten zu den Grippewellen der vergangenen Jahre. Derzeit ist die Beobachtung aufgrund des Coronavirus ausgesetzt. - BAG – Bericht zur Grippesaison 2018/19

Die Wahrscheinlichkeit, dass wir diesen Winter davon verschont bleiben, besteht jedoch. «Wir haben dieses Jahr noch praktisch keine Grippefälle auf den Intensivstationen. Normalerweise fängt die Grippewelle im Januar an, manchmal aber auch erst im Februar.»

Das Influenzavirus, verantwortlich für die Grippeerkrankung, breitet sich auf ähnlichen Wegen aus wie das Coronavirus. Masken, Abstand und Reduktion der Kontakte sind entsprechend effektive Massnahmen zu Verhinderung einer Grippeinfektion.

Haben Sie sich seit der Massnahmen-Verschärfung Ende Oktober erkältet?

Präzedenzfall in der Pandemie ist Australien. Im dortigen Winter– in unserem Sommer – kommt es ebenfalls zu Grippewellen. «Australien hat vor einem halben Jahr keine Grippewelle erlebt. Gut möglich, dass es auch bei uns so sein wird», schlussfolgert Furrer.

Weniger Malaria und sexuell übertragbare Krankheiten

Doch die Massnahmen gegen das Coronavirus haben auch auf ganz andere Bereiche einen Einfluss, so Furrer: «In der Schweiz wurden vergangenes Jahr deutlich weniger Patienten wegen Tropenkrankheiten wie Malaria oder Denguefieber behandelt.» Rückkehrer aus den Tropen oder Subtropen müssen bei diesen Krankheiten teils noch nach der Rückkehr hospitalisiert werden. Wird weniger gereist, nehmen die Fälle ab.

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Viele Infektionskrankheiten verzeichnen – aus ganz unterschiedlichen Gründen – in der Corona-Pandemie einen Rückgang. - Keystone

Die Einschränkung der Kontakte zeigt sich noch an ganz anderer Stelle. «Der Anteil von sexuell übertragbaren Krankheiten ist zurückgegangen», erklärt Furrer. Dies zeige sich deutlich bei der Zahl der HIV-Fälle.

Weniger deutlich, aber dennoch merklich ist der Rückgang bei Tripper und Syphilis. «Die Fälle wurden in den vergangenen Jahren immer häufiger – 2020 war der Trend leicht rückläufig.»

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