Coronavirus: Wie brisant ist Engpass in Spitälern wirklich?
Die Behandlung der mit dem Coronavirus infizierten Patienten hängt nicht nur von Beatmungsgeräten ab: Auch potenzielle Personalengpässe spielen eine Rolle.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Behandlung von Intensiv-Patienten erfordert eine grosse Menge an Fachkräften.
- Steigen die Corona-Fallzahlen weiter, könnte ein Personalengpass drohen.
Seit dem Abklingen der ersten Welle wird der Verlauf der Epidemie des Coronavirus genauestens beobachtet. Lange Zeit gab das BAG trotz langsam steigender Fallzahlen Entwarnung: Solange Kapazitäten vorhanden seien, um allen Patienten mit Coronavirus die nötige Pflege zukommen zu lassen, sei die Situation unter Kontrolle.
Doch das war in der ersten Welle an vielen Orten nicht mehr möglich: Bergamo, New York, Manaus – wo das Gesundheitssystem überlastet wird, schiessen die Zahlen in die Höhe. Inzwischen geht es bei der Überlastung nicht mehr um einen Beatmungsgeräte-Engpass: Die Probleme könnten an ganz anderer Stelle auftreten.
Kantonsarzt: Beatmungsgeräte-Mangel ist nicht das Problem, sondern das Personal
Viele Kantone hätten die Zahl der Beatmungsgeräte bereits im Frühjahr aufgestockt, erklärte der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri am Dienstag: «Ich denke, die Beatmungsgeräte an sich werden nicht mehr limitierend sein.»
Die Probleme liegen an anderer Stelle, so Hauri: «Das Limitierende, wenn es denn eine Limite gibt, ist das Personal.» Das Problem sind also nicht Beatmungsgeräte und wohl auch nicht die Intensivbetten: Die Zahl der Intensivbetten konnte bereits erhöht werden. Das Problem liegt eher beim hohen Bedarf an Fachkräften, die die kritischen Fälle benötigen.
Genügend Betten, ungenügende Behandlung?
Dem pflichtete der Berner Infektiologe Hansjakob Furrer vor einer Woche gegenüber «SRF» bei: «Möglicherweise haben wir noch genügend Betten. Aber möglicherweise können wir die Behandlung, die schwerkranke Patienten brauchen, nicht mehr so machen, wie wir es wollen. Nämlich auf jede Person genau eingehen und reagieren können, wenn es den Patienten schlechter geht.»
Ein schwerkranker Patient mit dem Coronavirus kann also nicht einfach künstlich beatmet und dann alleine gelassen werden: Der Gesundheitszustand muss permanent überwacht werden – verschlechtert er sich, müssen Gegenmassnahmen eingeleitet werden. Das ist äusserst personalintensiv.
Universitätsspitäler: «Personalsituation ist angespannt»
Die Universitätsspitäler Basel und Bern bestätigen übereinstimmend, dass die Personalsituation angespannt sei – vor allem im Bereich der Intensivpflege. Zu ernsthaften Engpässen sei es im Berner Inselspital noch nicht gekommen, erklärt Mediensprecher Adrian Grob: «Durch die grosse Anzahl Mitarbeitende können wir aber innerhalb des Spitals rochieren. Wir mussten deshalb nur punktuell und befristet Fachkräfte rekrutieren.»
Ähnlich verhält es sich in Basel: Man habe bereits die Rekrutierung verstärkt und Löhne angehoben, erklärt Mediensprecher Nicolas Drechsler: «Der Engpass wird aber sicher hier auftreten, wenn es einen geben sollte.»
Mitarbeiter mit dem Coronavirus verschärfen Personalengpass
Der erhöhte Bedarf an Fachkräften ist nicht das einzige Problem: Zusätzlich fallen Mitarbeitende aus, welche sich mit dem Coronavirus infiziert haben. Steigen die Fallzahlen weiter und infizieren sich mehr Mitarbeiter, könnte das Konsequenzen haben, warnt Drechsler: «Dann wird es schwierig, alle Dienstleistungen im gewohnten Rahmen und der gewünschten Qualität anzubieten.»
Der Mediensprecher des Inselspitals pflichtet dem bei: Durch die Verschiebung nicht dringlicher Eingriffe könnten noch gewisse Kapazitäten geschaffen werden. Als «ultima Ratio» bliebe noch der Einsatz erkrankter Mitarbeiter: «Es können bei Personalengpässen symptomfreie Mitarbeiter in Quarantäne angefragt werden.»
Laut Virginie Masserey vom BAG verbleiben für die Trendwende nur noch wenige Tage: «Die Zahl der Neuinfektionen muss dringend verlangsamt werden.» Nur so könne der Druck auf die Intensivstationen gesenkt werden.
Auch Bundesrat Alain Berset betonte am Mittwoch den Ernst der Lage. In einigen westschweizer Kantonen seien die Intensivstationen bereits komplett ausgelastet. Er forderte daher andere Kantone auf, Kapazitäten zu schaffen, indem Wahleingriffe abgesagt werden.