Coronavirus: Wie weit sollen die Impfprivilegien gehen?
Ins Restaurant nur dank Impfung gegen das Coronavirus? Was in Israel bereits Realität ist, wird auch in der Schweiz diskutiert. Eine Ethikerin klärt auf.
Das Wichtigste in Kürze
- In Israel gibt der sogennante «Grüne Pass» geimpften Personen einige Freiheiten zurück.
- Auch in der Schweiz wird bereits über Impfprivilegien diskutiert.
- Professorin Nikola Biller-Andorno erklärt, wo Probleme auftauchen könnten.
Impfweltmeister Israel macht es vor: Wer die Spritze gegen das Coronavirus erhalten hat, profitiert von zusätzlichen Freiheiten. Fitnessstudios, Restaurants, Kultureinrichtungen, Schwimmbäder und andere Sporteinrichtungen dürfen damit wieder besucht werden.
Auch in der Schweiz diskutiert der Bund über Impfprivilegien. «Wir werden das genau anschauen müssen», sagte Bundespräsident Guy Parmelin an der Medienkonferenz vom Mittwoch. Was das heisst, ist aber noch nicht klar.
Ist die Diskussion also eine rein theoretische? «Die Diskussion um Impfprivilegien ist extrem relevant», widerspricht Nikola Biller-Andorno. Die Professorin ist Direktorin des Instituts für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte an der Universität Zürich.
Es sei nicht unwahrscheinlich, dass künftig für Flüge oder grössere Veranstaltungen ein Impfschutz gegen das Coronavirus vorausgesetzt wird. «Und somit manche von uns in Urlaub fliegen können und andere nicht», so Biller-Andorno.
Impfprivilegien: Private haben Vertragsfreiheit
Private Anbieter dürfen grundsätzlich frei entscheiden, mit wem sie einen Vertrag eingehen wollen – und können auch eine Impfung voraussetzen. Ob man alle nicht-geimpften Personen ausschliessen will, liegt in der Verantwortung der Unternehmer.
Gastrosuisse machte am Mittwoch deutlich, dass man deshalb nicht viel von Impfprivilegien halte. Und auch Max Reichen von der Berner Bar und Clubkommission erklärte gegenüber Nau.ch: «Wir wollen nicht diejenigen sein, die für die Behörden die Impfkampagne umsetzen müssen.»
Auch die Fluggesellschaft Swiss sieht von einem Impfnachweis für das Coronavirus ab, die Einreiseländer können diesen aber voraussetzen.
Bund darf nicht diskriminieren
Im Gegensatz zu Privaten darf der Bund nicht einfach Menschen, die nicht geimpft sind, anders behandeln als Geimpfte. Für Biller-Andorno wäre es unfair, nur für Menschen mit Impfung zu lockern: «Zumindest, solange nicht jeder Zugang zur Impfung hat».
Man könne damit zwar die Menschen zur Impfung bewegen, so Biller-Andorno. «Andererseits würden wir uns ja wünschen, dass sich die Leute aus anderen Gründen zur Impfung entschliessen.»
Die Einschränkung der Grundrechte betreffe momentan alle. Davon jetzt einzelne Gruppen auszunehmen, hält die Ethikerin für problematisch. «Wir haben während der Pandemie viel von Solidarität gesprochen und sollten sie auch jetzt nicht vergessen.»
Coronavirus: Quarantäne für Geimpfte?
Auch die nationale Ethikkommission hat bereits klargestellt, dass es durch die Impfung nicht zu Diskriminierung einzelner Menschen kommen dürfte. Doch macht es Sinn, wenn Geimpfte trotzdem in Quarantäne müssen? «Noch wissen wir ja noch nicht so genau, wie ansteckend geimpfte Personen sind», so Biller-Andorno.
Doch es zeichnet sich ab, dass das Übertragungsrisiko mit Impfung deutlich geringer ausfalle. Für die Professorin eine Zwickmühle: «Wenn sich das bestätigt, wäre es in der Tat paradox, diese Personen in Quarantäne zu halten.»
Kommt es in einer Familie zu einem Corona-Fall, könnten die wegen Vorerkrankungen geimpften Eltern also beispielsweise einer Quarantäne entgehen. Die 18-jährigen Kinder aber nicht. Auch, wenn sie einfach noch gar keine Chance auf eine Impfung hatten.
Für Nikola Biller-Andorno sollte hier als Richtschnur gelten: «Lasst uns sehen, dass wir gemeinsam möglichst gut durch diese Krise kommen.»