Coronavirus: Wirtschaft stellt sich gegen Privilegien für Geimpfte
Können gegen das Coronavirus Geimpfte als erste wieder in Beizen oder Clubs? Die Verbände der betroffenen Wirtschaftszweige lehnen Privilegien bislang ab.
Das Wichtigste in Kürze
- Israel lockert die Massnahmen einseitig für Geimpfte.
- Schweizer Wirtschaftsverbände stehen Impf-Privilegien jedoch kritisch gegenüber.
- Sie fordern mehrheitlich eine Öffnung für alle – zum richtigen Zeitpunkt.
Israel schreitet mit seiner Lockerung voran, obwohl sich derzeit deutlich mehr Israelis mit dem Coronavirus infizieren als Schweizer. Während Teile der Bevölkerung mit dem Virus kämpfen, gehen andere wieder ins Theater, Schwimmbad oder Fitnesscenter.
Rund 3,2 Millionen Israelis besitzen den «Grünen Pass»: ein Impfdokument, welches den Geimpften den Zugang zu zahlreichen Aktivitäten mit Infektionsrisiko erlaubt.
In ganz Europa sorgt das Vorgehen Israels für Diskussionen. Auch die Schweizer Behörden prüfen zumindest die Ungleichbehandlung von Geimpften und Nicht-Geimpften. Die einseitige Öffnung für Geimpfte könnte einigen Betrieben einen früheren Neustart ermöglichen. Doch die betroffenen Wirtschaftsbranchen winken in der Schweiz ab.
Gastrosuisse klar ablehnend
Der Verband der Restaurants und Hotellerie Gastrosuisse kann mit dem israelischen Konzept wenig anfangen. Auch wenn mit Impf-Privilegien die Wiedereröffnung näher rücken könnte, stellt Mediensprecherin Astrid Haida klar: «Der Impfschutz darf keinesfalls Zugangskriterium zu Veranstaltungen oder Lokalen werden. Dies würde unsere Gastgeber in eine Rolle setzen, die sie unmöglich erfüllen können.»
In den Restaurants gebe es kaum Ansteckungen, erklärt Haida. «Der Besuch eines Restaurants ist also sicher, da braucht es keine Impfung.»
Clubs sehen Regierung in der Verantwortung
Etwas kritischer sieht Max Reichen, Geschäftsführer der Berner Clubkommission, die Situation. Einer Teil-Öffnung für die Geimpften hält aber auch die Clubkommission grundsätzlich für Problematisch. «Privilegien für Geimpfte widersprechen der freien Entscheidung für die Impfung. So wird aus der Freiwilligkeit ein Zwang durch die Hintertür.»
Wenn sich wenige Menschen impfen lassen, solle das nicht ein Problem der Clubs sein: «Wir wollen nicht diejenigen sein, die für die Behörden die Impfkampagne umsetzen müssen. Wenn wir keine gute Impfquote hinbekommen, haben wir als Zivilgesellschaft versagt.» Wann der richtige Zeitpunkt für die Öffnung für alle sei, müssten Experten beurteilen.
Kinos verweisen auf Ethikkommission
Die Diskussion um die Impfung sei zwar wichtig, aber angesichts der aktuellen Impfzahlen noch deutlich früh. Das zumindest findet René Gerber, Generalsekretär des Verbands für Kino und Filmverleih ProCinema: «Im Moment hätten wir fast nur über-85-jährige Kinobesucher.» Für eine Öffnung genüge das noch nicht.
Weiter verweist Gerber auf die Nationale Ethikkommission. Diese hat bereits vor rund zwei Wochen klargestellt, dass es durch die Corona-Impfung nicht zur Diskriminierung einzelner Personen kommen dürfe.
Schlussendlich liege die Entscheidung von Impf-Privilegien bei den Kinos selbst: Welchen Personen Privatunternehmen wie Kinos den Zutritt gewähren, dürfen diese selbst entscheiden. «Jedes Verbandsmitglied ist selbst für die Umsetzung von Corona-Regeln verantwortlich», erklärt Gerber. Bisher wollen die Kinos jedoch mehrheitlich abwarten, bis sie für alle wieder öffnen können – mit den nötigen Distanzmassnahmen.
Swiss hofft auf internationale Regelungen
Angesichts der Zweifel in den betroffenen Branchen scheint in der Schweiz ein Impfpass nach israelischem Vorbild unwahrscheinlich. Am ehesten sehen sich die Fluggesellschaften mit dem Problem konfrontiert: «Wir erwarten, dass gewisse Länder die Einreise von einem Impfnachweis abhängig machen werden», erklärt Swiss-Mediensprecher Michel Stief.
Welche Länder für welche Fluggäste einen Impfnachweis verlangen, sei bisher noch unklar. «Diesbezüglich würde es Swiss begrüssen, wenn länderübergreifende Regelungen für die Einreise etabliert werden, um einen geordneten Reiseverkehr zu ermöglichen.» Die Swiss sehe jedoch keinen verbindlichen Impfnachweis für ihre Fluggäste oder Mitarbeitenden vor.
Dass die Swiss als Unternehmen keinen Impfnachweis von Kunden verlangt, ist ihr gutes Recht: Grundsätzlich gelte das Prinzip der Privatautonomie, erklärt Ingrid Ryser, Informationschefin des Bundesamts für Justiz. Das bedeutet, dass jedes Privatunternehmen innerhalb des gesetzlichen Rahmens selbst entscheiden kann, wer Kunde sein darf und wer nicht.
Arbeitgeberverband spricht sich für Impf-Privilegien aus
Anders als Vertreter aus den betroffenen Branchen spricht sich der Arbeitgeberverband klar dafür aus, dass die Impfung Konsequenzen am Arbeitsplatz haben soll. Daniela Lützelschwab erklärte gegenüber dem «Blick»: «Im privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnis muss es für die Arbeitgeber möglich sein, einen Unterschied zu machen zwischen geimpften und nicht geimpften Arbeitnehmenden.»
Geht es nach dem Arbeitgeberverband, müssen Impf-Verweigerer mit Konsequenzen am Arbeitsplatz rechnen. Diese könnten von einer Versetzung bis zur ordentlichen Entlassung reichen.
Ehe sich Betriebe für eine Vorzugs-Behandlung von Geimpften entscheiden, dürfte ohnehin noch einige Zeit vergehen: In Israel hat bereits die Hälfte aller Erwachsenen die erste Impfdosis erhalten, in der Schweiz sind es gerade einmal 500'000.