Darum ist Tiktok-Verbot in der Schweiz kein Thema
In den USA ist ein landesweites Verbot der chinesischen App Tiktok nicht unwahrscheinlich. In der Schweiz «beobachtet» man die Situation. Was steckt dahinter?
Das Wichtigste in Kürze
- Die USA denken über ein landesweites Verbot der App Tiktok nach.
- Auch viele andere Länder haben Restriktionen gegen die Anwendung erlassen.
- In der Schweiz denkt man nicht daran – was es damit auf sich hat, erklären Experten.
Die USA brachten kürzlich einen Gesetzesentwurf auf den Weg, der es US-Präsident Joe Biden ermöglichen würde, Tikok landesweit zu verbieten. Beamten ist die Benutzung des Videoportals sowieso untersagt. Begründung: Die App diene der Kommunistischen Partei Chinas als trojanisches Pferd, mit dem persönliche Daten von Amerikanern überwacht und ausgenutzt werden.
Ähnlich sieht es in Kanada, Lettland und Dänemark aus. In der Schweiz ist ein Tiktok-Verbot derweil kein Thema. Bundesangestellte dürfen die App weiterhin nutzen.
Wie kommt das? Ist Tiktok denn gar nicht so gefährlich, wie von den USA befürchtet?
Martin Steiger, Datenschutz-Experte und Rechtsanwalt, relativiert: «Im digitalen Raum werden wir alle ohne Anlass und Verdacht überwacht.» So sei etwa im Rahmen der Snowden-Enthüllungen vieles über die amerikanische Überwachung zutage getreten. «Daher ist es naheliegend, dass dies China und andere Staaten genauso versuchen.»
«Keine grossen Unterschiede zwischen Facebook und Tiktok»
Chinesische Überwachung sei also durchaus möglich und naheliegend. Es «ist aber falsch, einseitig auf China zu zielen.»
So sieht dies auch Social-Media-Experte Mike Schwede: «Ich sehe keine grossen Unterschiede zwischen Apps wie Facebook und Tiktok. Würde die Schweiz Tiktok strenger regulieren, müsste sie konsequenterweise auch alle westlichen Dienste einschränken.»
Heisst also: Tiktok, Facebook, und andere westliche Dienste wie Google – unterm Strich alles Datensammelmonster. Mit einem Unterschied: «Das eine ist ein demokratisches Regime, das andere kein demokratisches Regime.» Hier müsse jeder selbst entscheiden, wo er seine Daten haben will, findet Schwede.
Immerhin: Die Daten der westlichen Version von Tiktok werden in den USA und nicht in China gespeichert. Steiger weiss zudem: «Tiktok wird in Europa von Gesellschaften in Grossbritannien und Irland angeboten.» Damit unterliege die Nutzung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung, genauso wie bei Instagram oder Youtube. Laut Schwede sind «Hintertüren aber dennoch möglich.»
Verfolgung politischer Gegner nicht auszuschliessen
Es stelle sich immer – egal bei welchem Staat – die Frage, was aus den Daten gemacht werde. «Nutzt man den Standort, damit der Nutzer relevantere Videos aus seiner Umgebung sieht? Oder um einen politischen Gegner zu verfolgen?»
Neben Spionage-Vorwürfen wird oft gemunkelt, dass TikTok eine gezielte Verdummung des Westens anstrebe. Und zwar, indem im Westen vergleichsweise anspruchslose Inhalte gezeigt werden, während in Chinas bildende Inhalte zu sehen ist.
Schwede verweist auf die Algorithmen: Jeder Benutzer könne selbst steuern, welche Inhalte er zu sehen kriegt. Der Social-Media Experte sagt mit einem Augenzwinkern: «Ich denke schon, dass andere Staaten unsere Dummheit ausnutzen können. Aber wir müssen ja nicht dumm sein.»
Würde die Schweiz trotz allem Restriktionen gegen Tiktok erlassen, hätte dies wohl keine Wirkung: «Tiktok würde die App für die Schweiz ganz einfach deaktivieren. Für ein paar Millionen Nutzer wäre alles andere zu viel Aufwand.» Nur, wenn die EU neue Regeln beschliessen würde, könnte die Schweiz mitziehen.