Deutsche beschimpfen SVP als erfolgreichste Rechtspopulisten
In Deutschland floriert mit der AfD der Rechtspopulismus. Doch die Schweiz hat mit der SVP gar die erfolgreichsten Rechtspopulisten, so ein deutscher Professor.
Das Wichtigste in Kürze
- Die rechtspopulistische AfD ist in Deutschland auf Erfolgskurs.
- Politologen glauben, der Rechtspopulismus sei in der Schweiz quasi vorbei.
- Ein deutscher Professor hingegen sagt: Die SVP und SP seien die grössten Populisten.
In Deutschland floriert der Rechtspopulismus. Vergangenes Wochenenden holte die rechtspopulistische Partei AfD, die eine enges Verhältnis zu Rechtsextremen pflegt, bei den Ostwahlen sehr viele Stimmen.
In der Schweiz hingegen sei der Höhepunkt des Rechtspopulismus und auch die Rechte Welle vorbei, analysierte Politologe Claude Longchamp. Auch sei die rechte SVP nicht mit der AfD zu vergleichen, rechtspopulistisch sei sie schon gar nicht.
Das lassen die Deutschen nicht auf sich sitzen. Christian Hoffmann ist Professor für Kommunikationsmanagement an der Uni Leipzig und widerspricht deutlich. «Die Parteienlandschaft der Schweiz ist insgesamt relativ stark von Populismus geprägt.»
SP und SVP im selben Topf
Hoffmann geht gar noch weiter: «Ihre stärkste Partei, die SVP, kann als eines der erfolgreichsten rechtspopulistischen Projekte Europas betrachtet werden.» Und: «Auch ihre zweitstärkste Partei, die SP, weist heute deutliche populistische Tendenzen auf. Wohl auch in Reaktion auf den Erfolg der SVP.»
Es lasse sich darüber streiten, inwiefern die SVP mit einer deutschen AfD, österreichischen FPÖ oder Salvinis Lega vergleichbar sei.
Doch: «Betrachtet man die Definition von Rechtspopulismus – Bezug auf das Volk, Anti-Elitismus, Migrationsfeindlichkeit – weist die SVP deutlich rechtspopulistische Facetten auf. Umgekehrt treffen die Definitionsmerkmale des Linkspopulismus – etwa der antikapitalistische Anti-Elitismus – gut auf die heutige SP zu.»
Wurmplakat und Raviolidose
In den 90er Jahren habe es in der Schweiz diverse rechtspopulistische Strömungen gegeben, welche weitgehend in der Volkspartei aufgegangen seien. Zwar war die Partei gemäss des Professoren nie rein populistisch.
Aber: «Es kann kaum bezweifelt werden, dass der Rechtspopulismus – als Programm und Taktik – die Partei zu ihrer heutigen Grösse geführt hat.» Er mahnt: «Man denke nur an das Wurm-Plakat.» Auch die provokative Positionierung im Themenfeld Klima sei geprägt vom Anti-Eliten-Denken.
Die Sozialdemokraten hätten erst später ihren populistischen Charakter verstärkt. «Vor allem getrieben von der JUSO, die sich hier auch erfolgreiche Taktiken der SVP abgeschaut hat», glaubt Hoffmann.
Linkspopulismus sei aktiver Teil der SP-Politik: «Aktuell bedient beispielsweise das Plakatmotiv zu den Krankenkassenprämien mit der Ravioli-Dose klar linkspopulistische Motive.»
Hoffmann stellt die Schweiz gar als europäischen Sonderfall dar, «weil sie eben einen starken Rechts- und Linkspopulismus kennt».
Rechtspopulisten auf Talfahrt
Auch Journalistin Charlotte Theile sieht einen Populismus in der Schweiz. Die deutsch-schweizerische Doppelbürgerin war bis 2018 Korrespondentin der «Süddeutschen Zeitung» in Zürich und lebt heute in Leipzig.
Doch von Erfolg sieht sie ab: «Aktuell geht es mit den Rechtspopulisten in der Schweiz, also der SVP, eher bergab.» Es fehle an neuen Themen. Das Apfelplakat, das jüngst für Aufregung sorgte, erinnert die Journalistin an die SVP von 1995. Jedoch werde sich erst noch zeigen müssen, ob der Höhepunkt des Schweizer Rechtspopulismus erreicht sei.