Dostojewski und Holbeins toter Christus im Basler Kunstmuseum
«Der tote Christus im Grab» imponierte Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewski. Das Kunstmuseum Basel widmet dem speziellen Treffen eine Ausstellung.
Das Wichtigste in Kürze
- 1867 sah der Schriftsteller Dostojewski das Holbein-Gemälde «Der tote Christus im Grab».
- Der Russe sei angesichts des Gemäldes erstarrt.
- Im Kunstmuseum Basel wird dem Zusammentreffen eine Kabinettsausstellung gewidmet.
Das Kunstmuseum Basel zeichnet in einer Kabinettsausstellung die emotionsgeladene Begegnung des Schriftstellers Dostojewski mit «Der tote Christus im Grab» nach. Das ikonenhafte Gemälde stammt von Holbein. Anlass ist ein Doppeljubiläum.
Das in mehrfacher Hinsicht aussergewöhnliche Gemälde des Basler Renaissance-Meisters Hans Holbein d. J. ist vor 500 Jahren entstanden.
300 Jahre später, 1821, kam der berühmte russische Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewski auf die Welt. 1867 sah Dostojewski das Bild, das ihn nachhaltig bewegte. Grund genug für das Kunstmuseum, dieses Zusammentreffen in einer Sonderpräsentation aufzuarbeiten.
Toter Jesus in «Der Idiot»
Dostojewski hat seinen Basler Museumsbesuch in seinen Roman «Der Idiot» einfliessen lassen, an dem er damals schrieb. Dort taucht das Gemälde als Kopie im Haus der Romanfigur Rogoschin auf, der darüber unter anderem sagt: «Vor diesem Bild kann manchem der Glaube vergehen.»
In «Der Idiot» tauchen noch zwei weitere Museums-Gemälde auf: «Die Enthauptung Johannes des Täufers» von Hans Fries und Holbeins «Dresdner Madonna». Diese galt damals fälschlicherweise noch als Original der Basler oder Darmstätter Madonna, die heute in Schwäbisch Hall zu sehen ist. Diese beiden Gemälde sind in der Kabinettausstellung ebenfalls zu sehen.
Der Fokus liegt aber klar auf dem toten Christus. Dieser ist allein schon durch sein extrem in die Länge gezogenes Format aussergewöhnlich. Es wurde vermutlich im Auftrag des Basler Rechtsgelehrten und Humanisten Bonifacius Amerbach geschaffen. Dessen Sohn schuf später mit dem Amerbach-Kabinett den Grundstein für die weltweit älteste öffentliche Kunstsammlung.
Das Gemälde zeigt den bereits verwesenden Leichnam von Christus in einer grauenerregend realistischen Darstellung eines Menschen. Einem Menschen, der unter immensen Qualen hingerichtet worden ist.
Einen «erschütternden Eindruck»
Dostojewski soll bei seinem Museumsbesuch auf einen Stuhl gestiegen sein, wo er angesichts des Gemäldes erstarrt sei. Das berichtet seine zweite Frau Anna Grigorjewna in ihren Memoiren.
«Das Bild machte auf Fjodor Michailowitsch einen erschütternden Eindruck», schrieb sie. Sein Gesicht sei erregt gewesen. Es zeigt Spuren «jenes Entsetzens, das ich meist in den ersten Augenblicken eines epileptischen Anfalles bei ihm wahrnahm.».
Der Anfall blieb aus – ihr Mann habe sich beruhigt. Beim Verlassen des Museums habe er aber darauf bestanden, das Bild noch einmal zu sehen, so Anna Grigorjewna. Dieses Bild in diesem neuen Zusammenhang noch einmal oder erstmals zu sehen, ist im Kunstmuseum Basel nun bis zum 30. Januar 2022 möglich.