Dubiose Hormontherapie soll Abtreibungen rückgängig machen
Abtreibungsgegner wollen Schwangeren helfen, die ihre Abtreibung bereuen. Sie empfehlen eine nicht zugelassene und experimentelle Therapie, die risikoreich ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Wenn Schwangere ihre Abtreibung bereuen, wollen Abtreibungsgegner Hilfe leisten.
- Bei einem Anruf mit einer Ärztin verschreibt diese eine experimentelle Hormontherapie.
- Fachpersonen kritisieren dieses Vorgehen schärfstens, weil es unwissenschaftlich sei.
Nach einem Hotline-Anruf, ohne ärztliche Untersuchung oder schriftlichem Einverständnis, erhält man eine möglicherweise gefährliche Therapie verschrieben. So läuft es ab, wenn sich Schwangere von der Stiftung «Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind» (SHMK) helfen lassen wollen.
Personen, die ihre medikamentöse Abtreibung bereuen, sollen mittels «Abortion Pill Reversal» (APR) diese «neutralisieren» können. «SRF Investigativ» hat einen Selbstversuch gewagt und bei der Hotline angerufen, die auf der Webseite «Rettet mein Baby!» angegeben ist. Eine Ärztin habe sofort «hohe Dosen zweier Progesterone» verschrieben, die die Schwangere während acht Wochen zu sich nehmen soll.
«Experimentelle» & «nicht wissenschaftliche» Anwendung
Die hormonbasierte Therapie APR ist sehr umstritten. Sie wurde von einem US-amerikanischem Gynäkologen entwickelt, dem Abtreibungsgegner George Delgado. Die SHMK hat ein eigenes Schema für APR, das mit Delgado und einem innerschweizerischem Gynäkologen erarbeitet wurde.
Als «SRF» bei der «Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe» SGGG anfragt, ist eine Fachärztin schockiert. «Das sind abartig hohe Hormondosen», sagt die Gynäkologin Helene Huldi. Die Dosis und Anwendung der Progesterone seien «experimentell» und «nicht wissenschaftlich». Huldi wirft der SMHK verantwortungsloses ärztliches Handeln vor.
Schwangere Patienten müssten im Vorfeld zu einer solchen Therapie untersucht und sorgfältig über mögliche Risiken und Nebenwirkungen informiert werden: Bei solch hohen Hormondosen in der frühen Schwangerschaft könne es Fehlbildungen geben, so Huldi.
Abtreibungsgegner betonen Risikofreiheit
Die Ärztin von «Rettet mein Baby» macht im Selbstversuch der Journalistin nichts davon. Auch auf eine schriftliche Einverständniserklärung der Patientin, die es eigentlich bräuchte, wird verzichtet. Es wird bloss erwähnt, die Anruferin müsse bald zu ihrer Gynäkologin.
Dass APR sicher sei, darauf bestehen die Abtreibungsgegner bei SHMK. Dominik Müggler, Präsident des Stiftungrats sagt, es sei weder unwissenschaftlich noch experimentell. «Die Babys kommen alle gesund zur Welt, sofern sie nicht eine Vorerkrankung hatten», so der Baselbieter.
Gemäss «SRF» ist die Journalistin am Telefon nie darüber aufgeklärt worden, dass die Therapie «off label» sei. Zudem habe ihr die Ärztin gesagt, die Medikamente würden von der Krankenkasse übernommen. Dies ist nicht der Fall, wie der Krankenkassenverband «Santésuisse» bestätigt.