Experte warnt: Mitarbeitende können unter «sterilen» Läden leiden
Viele Zürcher Läden setzen neu auf eine minimalistische Einrichtung. Für Kunden kann das ansprechend sein. Aber den Angestellten könnte gar ein Burn-out drohen.

Das Wichtigste in Kürze
- Zürcher Läden setzen vermehrt auf eine schlichte und farblose Einrichtung.
- Das kann zwar vom Marketing her Sinn machen, birgt aber Schwierigkeiten für Angestellte.
- Denn die Sterilität widerspricht der evolutionären Entwicklung des Menschen.
Es ist ein Trend, der in immer mehr Zürcher Läden zu beobachten ist: Nebst dem Produkt ist nicht viel zu sehen – die Lokale sind minimalistisch eingerichtet. Bekannte Beispiele sind das Miró Cafe im Hauptbahnhof oder die neuen Filialen der Bäckerei Jung.
Die schlichte Einrichtung ist trotz ihrer Moderne aber nicht nur positiv, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Denn Experten warnen davor, dass insbesondere die Mitarbeitenden darunter leiden könnten.
Mensch ist an grüne Natur gewohnt – weisse Umgebung ist bedrohlich
Innenarchitekt Stefan Leuenberger sagt gegenüber der Zeitung, dass die weisse Farbe zwar kurzzeitig etwas Faszinierendes haben könne.
Das Vorstandsmitglied des Instituts für Wohn- und Architekturpsychologie hebt jedoch die Folgen für die Angestellten hervor: «Sie sind im Gegensatz zu den Kunden während mehrerer Stunden dieser cleanen, laborartigen Atmosphäre zwangsausgesetzt.»
Leuenberger argumentiert mit der Evolution. Der Mensch ist an die Natur gewöhnt – diese biete beispielsweise viel Grün, Blumen oder Felsen.
Eine weisse Landschaft wie im Hochgebirge oder im Nebel werde dagegen eher negativ wahrgenommen. «In dieser Umgebung fühlen wir uns schnell bedroht», so der Experte.
Heisst: Im sterilen Arbeitsraum fehlen langfristig die Reize, ähnlich wie bei Wissenschaftlern in der Arktis. Laut Leuenberger kann das zu Stress, Motivationslosigkeit und sogar zu einem Burn-out führen.
Läden kontern Kritik am sterilen Design
Dieser Kritik widerspricht David Sanchez, Co-Inhaber von Miró, gegenüber der Zeitung. «Die Mitarbeitenden fühlen sich sehr wohl im neuen Café und das liegt uns sehr am Herzen», betont er.
Er sagt sogar, dass das minimalistische Design positive Folgen habe. Denn dadurch gebe es keine Reizüberflutungen und der Stress der Mitarbeitenden würde reduziert.
Ähnlich äussert sich Pjeter Mussolaj, der bei der Bäckerei Jung für das Marketing zuständig ist. Man könne die Bedenken bezüglich der weissen Räume nicht bestätigen. Das Feedback der Angestellten sei positiv – sie fühlen sich demnach wohl.
Architekt Leuenberger räumt ein, dass die Mitarbeitenden sehr individuell auf eine Einrichtung reagieren können. Dazu helfe es, wenn man mit den Kunden in Kontakt sei.
Langfristig könne es aber trotzdem negative Folgen geben: «Meistens setzen diese erst nach einer gewissen Zeit ein.»
Schlichte Einrichtung ist auch Marketing-Gag
Doch weshalb setzen Läden überhaupt auf dieses Design? Laut Architekturhistoriker Robin Rehm von der ETH Zürich liegt die Inspiration in Städten wie Tokio oder London. Man wolle damit Coolness und Dynamik zeigen.
Gleichzeitig mache es aus einer Marketing-Perspektive Sinn, erklärt der Experte. Das Auge des Kunden fokussiere sich im Laden so nur auf das Produkt. Beispielsweise auf den Kaffee oder das Brot.