Frauenstreik: Ursula Haller (BDP) erklärt ihren Meinungswechsel
1991 hätte nichts Ex-Nationalrätin Ursula Haller (BDP) an den Frauenstreik gebracht. Heute sagt sie: «Für die Gleichberechtigung muss man auf die Strasse!»
Das Wichtigste in Kürze
- Am 14. Juni findet der zweite Schweizer Frauenstreik statt.
- Es geht u.a. um Gleichberechtigung, faire Löhne und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
- Nau hat mit Frauen und Männern aus verschiedenen Bereichen über den Streik gesprochen.
- Ex-Nationalrätin Ursula Haller (BDP) streikte 1991 nicht. Heute aber findet sie es nötig.
Am 14. Juni wird in der Schweiz die Arbeit ruhen. Zumindest teilweise. Dafür sollen Kritik und Forderung durch die Strassen schallen.
Sollen Gemüter sensibilisiert und die Gesellschaft gleicher gemacht werden. Denn am 14. Juni ist Frauenstreik.
Es ist der zweite nationale Frauenstreik in der eidgenössischen Geschichte. 1991 skandierten die Frauen zum ersten Mal: «Wenn Frau will, steht alles still!»
Frauenstreik – braucht es das noch?
Für Ursula Haller war 1991 von Stillstand keine Rede. Eben war die Thuner SVP-Stadträtin auch noch Berner Grossrätin geworden. Doch selbst wenn sie Zeit gehabt hätte, streiken wollte Ursula Haller dazumal nicht.
«Damals dachte ich noch: Einen Frauenstreik braucht es doch nicht. Ich habe ja alles selber erreicht, was ich wollte.» Und heute? «Da muss ich etwas ausholen», sagt Haller.
Dankbar sei sie den Feministinnen der ersten Stunde stets gewesen. «Sie haben Schimpf und Schande über sich ergehen lassen. Darum haben wir heute all die Möglichkeiten.» Für Haller hiessen diese Möglichkeiten: Stadträtin, Grossrätin, Gemeinderätin, Nationalrätin – Mutter.
Links? Rechts? Frauensache!
Aber einen Frauenstreik? Sich solidarisieren, mit den «Linken»? Haller malt Anführungszeichen in die Luft.
Je länger ihr Weg durch die Politik war, umso deutlicher habe sie gemerkt: «Interessen in links und rechts aufzuteilen, ist viel zu einfach. Besonders bei Gleichstellungs-Themen.
Da gibt es Dinge, die im Interesse fast aller Frauen stehen. Um sie durchzubringen, muss man sich über alle Parteigrenzen hinweg solidarisieren.»
Die Lohngleichheit gehöre dazu. Ebenso Tagesschulen und Kitas. Und das Sensibilisieren der Frauen. Alles Forderungen des Frauenstreiks.
«Frauen müssen endlich aufhören, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Die Bösen sind nämlich nicht nur die Männer. Das Problem sind auch die Frauen selber.»
Vor allem den junge Frauen will Haller darum einbläuen: «Pocht auf euer Recht! Euch wird nichts in den Schoss gelegt. Ihr werdet euch stets beweisen müssen. Strenger beobachtet und kontrolliert, als ein Mann.»
Darum sei es umso wichtiger, «dass ihr mit der Faust auf den Tisch haut. Forderungen stellt und selbstbewusst seid».
Tagesschulen, Frauenhaus, Mutterschaftsversicherung
Auf den Tisch gehauen hat Haller selber auch. An vorderster Front hat sie im Grossen Rat für ein Frauenhaus in Thun gekämpft. Jahre später sechs Tagesschulen eröffnet.
Nach Jahren des erfolglosen Kampfes, hat Haller 2005 die Mutterschaftsversicherung im Nationalrat durchgeboxt. Zusammen mit Frauen aus anderen Parteien – und gegen die eigene Partei. Diese hat sie bald darauf verlassen und geholfen, die BDP zu gründen.
Was die Ziele des Frauenstreiks angeht, ist Haller pragmatisch. «Man muss sich immer fragen: Sind die Forderungen umsetzbar?»
In diesem Falle seien sie es. Wären es schon lange. Darum fordert Haller, was in ihren Augen jeden guten Politiker, jede gute Politikerin ausmacht: «Sich ehrlich für die Bevölkerung interessieren. Und schauen, was den Leuten wirklich etwas bringt.»
Lohngleichheit, zum Beispiel. Wird sie dafür am 14. Juni auch selber streiken? «Im Gegensatz zu 1991 ist das heute gut möglich», sagt Haller.
Die Erfahrung habe gezeigt: «Es gibt Momente, in denen wir Frauen zusammenstehen müssen. Und sagen: Es geht uns zu langsam voran. So erreichen wir die Gleichberechtigung noch lange nicht.» Und manchmal, «da muss man dafür eben auf die Strasse».