Freispruch in Berner Mordprozess gefordert
Eine Frau stirbt unter rätselhaften Umständen. Ihr Ehemann steht vor Gericht, doch sein Verteidiger fordert Freispruch.
Nach dem Tod einer 29-jährigen Frau Mitte Dezember 2022 in Kehrsatz BE hat der Verteidiger am Dienstag vor Gericht für den angeklagten Ehemann einen Freispruch gefordert. Seine Frau habe ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt, so das Argument.
Der heute 38-jährige Angeklagte muss sich seit Montag vor der Justiz verantworten, weil er Mitte Dezember 2022 seiner Ehefrau ein Beruhigungsmittel verabreicht und sie dann im Schlaf erdrosselt haben soll.
Die zur Tatzeit 29-jährige Frau habe eben nicht nur eine aufgestellte, temperamentvolle Seite gehabt, sondern auch eine schwermütige. Diese Seite habe die Perfektionistin für sich behalten und Aussenstehenden nur ansatzweise Einblick gewährt, wenn überhaupt.
Klar sei, dass die Frau beruflich und privat unter Stress gestanden sei. Sie habe ein Burnout gehabt und eine neue Stelle angenommen, die sie stark gefordert habe. Dazu seien Eheprobleme gekommen. Die Beziehung mit ihrem Mann sei am Ende gewesen.
Mitte Dezember sei es der Frau zu viel geworden und sie habe sich in einer Kurzschlussreaktion das Leben genommen. Bemerkenswert sei, dass die Ermittler und die Staatsanwaltschaft nach dem Auffinden der Leiche alle von einem Suizid ausgegangen seien. Die Mordthese sei erst später aufgekommen, sagte der Verteidiger.
Unter Druck gesetzt?
In diesem Zusammenhang habe die Polizei seinen Mandanten bei den Befragungen massiv unter Druck gesetzt. Ein derart suggestives Vorgehen sei nicht rechtens, betonte der Verteidiger mit Nachdruck. Dass sein Mandant unter diesem massiven und suggestiven Geständnisdruck nicht eingebrochen sei, zeige, dass er unschuldig sei.
Als weiteres Element hob der Verteidiger den fraglichen Tatzeitpunkt hervor. Die Rechtsmedizin gebe für den Todeszeitpunkt der Frau ein Zeitfenster von mehreren Stunden zwischen 5.45 und 13 Uhr an.
Es sei also keineswegs davon auszugehen, dass der Mann seine Frau am frühen Morgen, gerade vor dem Verlassen des Hauses innert kürzester Zeit umgebracht habe. Der Angeklagte verliess das Haus um 6 Uhr Richtung Arbeitsplatz.
Viel wahrscheinlicher sei, dass die Frau das Beruhigungsmittel, das sie an ihrem Arbeitsplatz im Spital problemlos beschaffen konnte, einnahm, nachdem der Mann das Haus verlassen hatte. Das würde auch erklären, weshalb im Magen der Toten Kaffee gefunden wurde.
Der Verteidiger räumte ein, dass sein Mandant eine aussereheliche Beziehung hatte. Er sei ambivalent gewesen, ob er der neuen Beziehung den Vorzug geben wolle. Aber daraus zu schliessen, er habe seine Frau einfach aus dem Weg räumen wollen, sei irrig.
Handy der Verstorbenen verschwunden
Der Angeklagte sei zuvor nie gewalttätig gewesen und werde als einfühlsam, integer und hilfsbereit beschrieben. Für den gläubigen Christen wäre die Tötung der eigenen Frau ein deutlich schlimmeres Vorgehen gewesen als eine Scheidung, argumentierte der Verteidiger.
Dass das Handy der Verstorbenen seit dem frühen Tatmorgen verschwunden ist, könne dem Angeklagten nicht angelastet werden. Es sei denkbar, dass die Ehefrau darauf Inhalte abgespeichert hatte, von denen sie nicht wollte, dass sie gelesen würden.
Es gebe zwar einige belastende Elemente, die auf den ersten Blick gegen den Angeklagten sprächen, aber es gebe vor allem sehr viel Entlastendes. Bestünden Restzweifel an der Schuld, müsse das Gericht seinen Mandanten nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» (im Zweifel für den Angeklagten) freisprechen, forderte die Verteidigung.
Die Staatsanwältin hatte am Montag auf einen Schuldspruch wegen Mordes plädiert. Der Angeklagte sei zu einer Freiheitsstrafe von 18 Jahren zu verurteilen. Das Gericht wird das Urteil am Freitag bekannt geben.