Im dritten Beyto-Roman bekommt die Frau das Wort
Yusuf Yeşilöz schliesst mit seinem neuen Werk, «Der Libellenspiegel», seine Trilogie ab und verlagert dabei den Fokus auf die zentrale Figur Sahar.
Der kurdisch-schweizerische Autor Yusuf Yeşilöz widmet sich mit «Der Libellenspiegen» erneut dem «Beyto-Universum». Der Roman folgt auf «Hochzeitsflug» (2011), der 2020 mit dem Titel «Beyto» verfilmt wurde, und «Wunschplatane» (2018). Im letzten Teil der Trilogie rückt er nach Beyto und Beytos Eltern nun Sahar ins Zentrum, Beytos Cousine und Noch-Ehefrau.
Die Trilogie war nicht von Anfang an geplant, erzählt Yeşilöz im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Aber da er nach «Hochzeitsflug» oft gefragt worden sei, wie es weitergehe mit den Figuren und deren vielen Geschichten, habe er sich entschieden, den zweiten Roman aus der Sicht der Eltern zu schreiben. Sie wollten die Homosexualität ihres Sohnes nicht akzeptieren und haben ihn zur Hochzeit mit Sahar gezwungen.
«Auch wenn man nicht damit einverstanden ist, was sie mit ihrem Sohn machten, hat man das Recht zu wissen, warum sie so weit gingen», sagt Yeşilöz. Später sei sogar für ihn selbst die Frage drängend geworden, was die erzwungene Heirat bei Beytos Ehefrau Sahar ausgelöst hat, «wie sie damit umgegangen ist.» Da jeder Roman eine eigenständige Geschichte ist, können Leserinnen und Leser einsteigen, wo sie möchten. Jede Geschichte steht für sich und sei «im gesellschaftlichen Kontext verankert», so Yeşilöz weiter.
Sahar hat zwischenzeitlich eine Tochter geboren. Das Kind ist von einem Michael, mit dem sie nicht verheiratet ist, da sie noch nicht von ihrem Cousin Beyto geschieden ist. Im Roman «Der Libellenspiegel» stellt sie sich zu Beginn selbst vor: «Ich heisse Sahar. Michaels Mutter hat mich aber nach der Geburt meiner Tochter Amal Sara genannt, weil sie fand, dass Sahar zu fremd klinge. Du kannst mich nennen, wie du willst.»
Die zentralen Themen des Romans
Sahar hat zwischenzeitlich eine Tochter geboren. Das Kind ist von einem Michael, mit dem sie nicht verheiratet ist, da sie noch nicht von ihrem Cousin Beyto geschieden ist. Im Roman «Der Libellenspiegel» stellt sie sich zu Beginn selbst vor: «Ich heisse Sahar. Michaels Mutter hat mich aber nach der Geburt meiner Tochter Amal Sara genannt, weil sie fand, dass Sahar zu fremd klinge. Du kannst mich nennen, wie du willst.»
Diese anfänglichen Sätze lassen viele der zentralen Themen anklingen: Fremdheit, Normen oder Familie. Und ähnlich wie in den ersten zwei Büchern überlässt Sahar auch in dieser Situation die Entscheidung erst einmal anderen. So zum Beispiel der Schneiderin Juana: Sie weiss, dass Sahar auf Deutsch Morgenröte oder Morgendämmerung heisst; und sie ermahnt Sahar stets, nur das zu tun, was sie selbst für richtig hält; sie solle nicht immer Rücksicht auf die Empfindungen anderer nehmen.
Die Schneiderin stolpert in diesem dritten Teil neu in Sahars Leben und besticht durch Offenheit und Neugier: «Du bist meine erste Bekannte hier, die so jung ein Kind hat.» Oder: «Du bist meine erste Bekannte, die einen Nasenring trägt!» Entwaffnend direkt begegnen sich die beiden Frauen. Je mehr sie miteinander reden, umso offensichtlicher wird, welche Schicksale sie teilen: Einsamkeit, Verletzung, Verlust und Tabus prägen auch Juanas Familiengeschichte.
Am Ende mahnt Juana Sahar: «Deine Leute, alle in deine Geschichte involvierten Menschen, leben noch, Sahar. Eines Tages musst du sie konfrontieren und ihnen klarmachen, dass sie dir mit ihren Einstellungen das Leben schwer gemacht haben. Die Figuren meiner Geschichte leben nicht mehr.»
Hoffnung und Selbstbestimmung im Beyto-Universum
Der Autor Yusuf Yeşilöz erzählt einmal mehr bildstark. In vielen der Geschichten zeigt er eine migrantische Schweizer Realität, die zerrissen ist zwischen mehreren Welten, Lebensstandards und sich widersprechenden Normen. Er erzählt aber auch von Solidarität.
«Der Libellenspiegel» ist eine Wiederbegegnung mit allen zentralen Figuren des Beyto-Universums: Beyto selbst ist weiterhin in London, steht aber mit Sahar in Kontakt, die in Anbetracht ihrer eigenen Realität findet, er hätte von Anfang an mutiger sein müssen. Seine Eltern Nasrin und Safir, Sahars Tante und Onkel, führen immer noch ihren Kebabladen, wo all diese Welten und Menschen aufeinanderprallen. Oder wie es Nasrin beschreibt: «Nach zwei Dosen Bier geben sie alles von ihrem Leben preis, ohne jegliche Scheu.»
Der Grundton dieses dritten und letzten Teils ist hoffnungsvoll und versöhnlich. Auch Safir will «diese Wunde heilen lassen und einen Schluss der Geschichte finden, bei dem wir unser Gesicht wahren können.»
In den Mittelpunkt stellt Yeşilöz die Frauen: «Die Entscheide werden von Frauen selbst getroffen. Sahar hatte in den ersten zwei Büchern keine grosse Entscheidungsbefugnis, obwohl sie der Mittelpunkt der Geschichte war. Zuerst sollte die Sicht der Entscheidungstreffer erzählt werden. Mir war wichtig, zu erzählen, wie sie aus der Opferrolle herausfand und die Zügel für ihr Leben selber in die Hand nahm.»
Und so sagt Sahar einmal zu ihrer Tante Nasrin: «Wir drei, du, ich und Amal, werden ein eigenes Dorf gründen, und die Regeln werden wir neu erfinden.»*
*Dieser Text von Philine Erni, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.