Immer mehr asiatische Wirtschaftsflüchtlinge in der Schweiz

Felix Müller
Felix Müller

Bern,

Still und leise steigt die Zahl der illegalen Wirtschaftsflüchtlinge aus Asien. Trotz Ausbeutung bleiben die Betroffenen unsichtbar. Die Polizei ist besorgt.

China Restaurant
Immer mehr Chinesen jagen dem Traum eines besseren Lebens in der Schweiz hinterher. Doch sie bleiben unsichtbar. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Schweiz gibt es immer mehr Wirtschaftsflüchtlinge aus dem asiatischen Raum.
  • Diese neue Flüchtlingsgruppe stellt die Behörden vor grosse Herausforderungen.
  • Trotz Ausbeutung bleiben die Betroffenen unsichtbar. Um jeden Preis.

In einem Kühllaster erstickten letzte Woche 39 Menschen aus dem asiatischen Raum bei dem Versuch, nach Grossbritannien zu gelangen. Angehörige berichten, dass einige davon als Wirtschaftsflüchtlinge ihr Dorf in Vietnam «auf der Suche nach einem besseren Leben» verlassen hätten.

lkw sms
Polizisten und Mitarbeiter der Spurensicherung arbeiteten am 23. Oktober an dem Lkw, in dem die 39 Leichen gefunden wurden. - dpa-infocom GmbH

Diese Suche führt immer mehr asiatische Wirtschaftsflüchtlinge nach Europa und auch in die Schweiz. Die Berner Fremdenpolizei spricht von einer «Zunahme» von Wirtschaftsflüchtlingen aus dem asiatischen Raum, welche über Schlepper in die Schweiz eingeschleust werden. Der Menschenhandel betrifft längst nicht mehr nur das Milieu.

Undurchschaubare Strukturen

Diese neue Art illegaler Migranten stellt die Behörden vor grosse Herausforderungen. Alexander Ott von der Fremdenpolizei Bern erklärt: «Im Vergleich mit den Wirtschaftsflüchtlingen aus Afrika oder dem Osten sind die Asiaten viel kompakter organisiert.»

Konkret: «Die Asiaten haben eine eigene, geschlossene Diaspora. Ihre Kultur ist völlig anders. Sie sind in strengen Hierarchien organisiert. So entstehen Abhängigkeiten», so Ott. Jemanden aus diesem Umfeld zum Reden zu bringen, sei extrem schwierig.

Menschenhandel
Trotz Ausbeutung will keiner der Betroffenen mit den Behörden kooperieren. - Keystone

Das bestätigt auch Thomas Roth von trafficking.ch. Die Organisation spürt Opfer von Menschenhandel auf. Dass sich jemand von alleine an sie wende, sei «extrem selten». Denn: «Opfer sehen sich selten als Opfer. Opfer sein bedeutet Schande.» Zusätzlich würden die Schlepper oft damit drohen, den Familien zu Hause weh zu tun.

Familiäre Sklaverei

Auffällig ist, dass Asiaten ohne Arbeitserlaubnis hier meistens in asiatischen Restaurants oder Nagelstudios arbeiten. «Auch das hängt mit der Diaspora zusammen, sie suchen in der Fremde ihresgleichen. Die Sprache ist zentral. Teilweise sind sie auch noch familiär verbandelt.»

In solchen Betrieben werden die Immigranten trotz familiären Verbindungen wie Sklaven behandelt. Aber es beklage sich keiner. Gemäss Ott stellen für viele auch noch die uns schlimmst vorstellbaren Konditionen eine Verbesserung zu vorher dar. «In den Augen der Arbeitgeber tun sie diesen Angestellten sogar einen Gefallen.»

Burgernziel
Im Restaurant Burgernziel entdeckte die Polizei 2014 mehrere Chinesen, welche ohne Arbeitserlaubnis in der Küche arbeiteten. Sie lebten auf engstem Raum und durften das Haus nicht verlassen. - SS 10vor10

Viele der Flüchtlinge kommen aus armen Familien auf dem Land. Sie ziehen zuerst in die asiatischen Städte, wo sie auch praktisch nichts verdienen und gleichzeitig ausgebeutet werden.

Früher oder später erliegen sie den falschen Versprechungen der Schlepper. «Sie können zwischen nichts und wenig wählen. Eine Chinesin, die es schafft sich hier selbstständig zu prostituieren, steigt zu Hause im Ansehen.»

Die Unsichtbaren

Wie genau die Menschen in die Schweiz eingeschleust werden, ist nicht klar. Roth erklärt: «Sie kommen per Auto, Bus oder Zug in die Schweiz. Es gibt verschiedenste Angebote, Routen und Methoden.»

Einmal hier, tauchen sie unter. «Chinesen tauchen weder im System noch im Sozialsystem auf. Sie bleiben unsichtbar bis sie in eine Polizeikontrolle kommen», so Roth. Still und leise hat sich so die Dunkelziffer der hier illegal arbeitenden Chinesen stetig erhöht. Schätzungen gehen von 500 bis 1000 Personen aus.

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