Immer mehr Senioren wollen ein Tattoo
Das Tattoo erfreut sich unter Seniorinnen und Senioren zunehmend an Beliebtheit. Einige lassen sich sogar mit fast 90 Jahren noch eines stechen.
Das Wichtigste in Kürze
- Tätowierer beobachten, dass sich immer mehr Senioren tätowieren lassen.
- Einer hat sogar seiner 87-jährigen Grossmutter ein Tattoo gestochen.
- Das hat damit zu tun, dass Tattoos in der Mitte der Gesellschaft angelangt sind.
Früher galt es als rebellisch, ein Tattoo zu haben – heute hat jeder «Bünzli» eines. Dass Tattoos in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, führt auch dazu, dass sich sogar 87-Jährige noch eines stechen lassen.
Mehrere Tätowierer beobachten, dass sich immer mehr Senioren für ein Motiv auf der Haut entscheiden. Zum Beispiel Dave Horvath vom Tattoostudio La Rebelle Suisse in Olten SO.
«Inzwischen lassen sich bis zu fünf Seniorinnen und Senioren pro Monat bei uns ein Tattoo stechen», sagt er zu Nau.ch. «Tendenz zunehmend.»
Einer seiner Stammkunden wollte zum Beispiel nach der Pensionierung noch richtig Gas geben. Er hat inzwischen kaum noch eine freie Stelle auf der Haut. «Die älteste Kundin, die ich je hatte, war 82 Jahre alt.»
Als Grund für die Zunahme vermutet Horvath, dass Tattoos gesellschaftlich akzeptierter sind als damals, als diese Menschen jung waren. «Für sie ist eine Türe aufgegangen.»
Senioren lassen sich Namen der Enkelkinder stechen
Dominik Gerber vom Tattoostudio Heartless in Thun BE tätowiert seit rund zehn Jahren. Auch zu ihm kommen heute etwas mehr Seniorinnen und Senioren als noch zu seinen Anfangszeiten.
«Ich habe regelmässig Ü60-Kunden. Ich denke, das ist vor allem häufiger geworden, weil allgemein mehr Leute ein Tattoo wollen», sagt er zu Nau.ch. «Schliesslich lassen sich heute sogar die Bünzlis tätowieren.»
Die meisten Kundinnen und Kunden würden sich Motive stechen lassen, die mit ihrem Leben zusammenhängen. «Viele wollen zum Beispiel die Namen ihrer Enkelkinder.»
Rose für Rösli (87)
Er habe auch schon seine 87-jährige Grossmutter tätowiert. «Sie heisst Rösli und wollte deshalb eine Rose», erzählt er. Auf ihr Rosen-Tattoo sei sie nun superstolz. «Sie hat überall damit blagiert», schmunzelt der Thuner.
Bei Seniorinnen und Senioren sei es aber eine besondere Challenge, ein Tattoo zu stechen. «Die Haut ist so dünn, da muss man aufpassen, dass es keine Platzwunde gibt. Deshalb ist die Rose meiner Grossmutter nur neun Zentimeter hoch.»
Viele wollen in Midlife-Crisis Tattoo
Im Studio 32 Tattoo in Bern kommt auch ab und zu Ü80-Kundschaft vorbei. Inhaber Andreas Schwertfeger erinnert sich zum Beispiel an eine 86-Jährige, die sich ein Herz und eine Blume tätowieren liess. «In einem anderen Studio liess sie sich dann auch noch piercen.»
Auch er bedient etwas mehr Seniorinnen und Senioren als früher. «Deutlich stärker zugenommen hat aber die Nachfrage bei Leuten um die 50.» Das erklärt sich der Tätowierer so: «Viele stecken in dem Alter in der Midlife-Crisis. Plötzlich sind die Kinder erwachsen, man lässt sich vielleicht scheiden oder ein Elternteil stirbt.»
Dann will man sich selbst etwas gönnen – vorher hatten viele ohnehin keine Zeit dafür. Schwertfeger witzelt: «Wenn aber der Jonathan auf einmal ausgezogen ist, kommt dir in den Sinn, dass du ja noch ein Tattoo wolltest.»
Auch bei ihm verlangen die meisten älteren Menschen ein Motiv, das irgendwie mit ihrem Leben zu tun hat. «Mich hat zum Beispiel einmal eine Kundin angerufen, ihr Biotop sei zugeschüttet worden. Deshalb wolle sie nun eine Libelle», erzählt er.
Übrigens: Auch wenn Tattoos in der Jugendzeit der heutigen Senioren seltener waren, neu ist der Trend in Europa keinesfalls. Schon die 5300-jährige Gletschermumie Ötzi trug Tätowierungen.