In Luzerner Quartier hat kein Kind Muttersprache Deutsch – Abriss
An einer Luzerner Strasse hat kein Schulkind Muttersprache Deutsch. Nun sollen Neubauten her. Der Quartier-Coiffeur ist besorgt.
00:00 / 00:00
Das Wichtigste in Kürze
- An einer Luzerner Strasse hat kein Kind Muttersprache Deutsch.
- Die Stadt ergreift Massnahmen, der Quartier-Coiffeur spricht von Geldmacherei.
Ein portugiesisches Quartierlädeli, eine Harley-Davidson-Werkstatt und ein Pub für junge Leute. Das Luzerner Quartier Fluhmühle-Lindenstrasse war einst ein lebendiger Ort.
Heute ist vieles davon verschwunden, und bald könnte der Rest folgen. «Die Stadt Luzern hat eine Ecke ab», sagt der Quartier-Coiffeur Zalan Oltvanyi.
Er fürchtet, dass Investoren die Gegend radikal umgestalten wollen: Eckige Bauten und ein Nobelquartier sollen her, während die bisherigen Bewohner verdrängt würden.
«Man will die Randständigen vertreiben», glaubt er und zieht drastische historische Vergleiche.
Ein Quartier mit hohem Ausländeranteil
Im Quartier Fluhmühle-Lindenstrasse beträgt der Ausländeranteil 74 Prozent. An der Lindenstrasse hat kein einziges Schulkind Deutsch als Muttersprache. Obwohl es im Quartier laut Stadt-Angaben überdurchschnittlich viele Kinder und Jugendliche hat.
Schon 2011 erkannte die Stadt ähnliche Entwicklungen und formulierte damals erste Entwicklungsziele.
Diese wurden aber nur «ungenügend» erreicht – ein neues Konzept soll 2025 greifen.
Doch ob das gelingt? Oltvanyi ist skeptisch.
«Früher war es hier sehr lebhaft», erzählt der Coiffeur im Gespräch mit Nau.ch. «Viele Familien wohnten hier – meist Ausländer natürlich: vom Balkan, aus Italien, Portugal.»
Das sei nicht mehr so. Er ist überzeugt: «Man will einfach die Leute aus dieser Strasse raushaben.»
Nau.ch sieht vor Ort zahlreiche Häuser, die zum Bau ausgesteckt sind.
Der Coiffeur fürchtet, dass bald nur noch grosse Betonklötze dastehen, und zieht einen fragwürdigen Vergleich. Mit Blick auf den Nazi-Architekten, der monumentale Bauwerke für die Reichsparteitage der Nazis entwarf, sagt er: «Die Leute werden denken, Albert Speer habe hier gebaut.»
![Modell Berlin Albert Spehr](https://c.nau.ch/i/Mpgw92/900/modell-berlin-albert-spehr.jpg)
Steigende Mieten und leere Spielplätze
Die Stimmung im Quartier? «Gibt es aktuell keine», sagt Oltvanyi.
«Viele hier sind italienische Arbeiter, Gipser. Die trinken ihr Feierabendbier, das wars.» Die leeren Spielplätze nennt er «Denkmäler» einer vergangenen Zeit.
Er ist überzeugt: «Die Leute sollen weg.»
Früher kostete eine 4,5-Zimmer-Wohnung 1400 Franken, bald werde man ein einzelnes Zimmer für 1000 Franken inklusive Reinigung vermieten. Investoren würden damit mehrere Tausend Franken mehr einnehmen.
Dabei wäre das Quartier ideal für sozial Schwächere, sagt er. «Hier könnten Menschen mit geringem Einkommen gut leben.»
Die Stadt setzt auf Sozialarbeit
Sibylle Stolz, Leiterin Quartier & Integration der Stadt Luzern, findet derweil, dass es dem Quartier an einem Zusammensein fehlt.
00:00 / 00:00
Die Stadt wolle mit Standorten für Sozialarbeit helfen: «Soziokulturelle Animatoren helfen mit, ein aktives Quartierleben zu gestalten.»
Ein Problem sei der Verkehrsausbau: «Immer mehr Verkehrswege wurden gebaut, die Mietpreise sanken stark. Dadurch zogen viele Menschen mit schwierigen Alltagssituationen hierher.»
Es fehle an Freizeitangeboten, so Stolz. «Die Kinder brauchen Möglichkeiten, mit Gleichaltrigen zu spielen. Auch Eltern sollen sich untereinander austauschen können.»
Daher plane man, bestehenden Quartierraum in einen Begegnungsort umzuwandeln und neue Naherholungsgebiete zu schaffen.
Der Stadtrat hat ein neues Quartierentwicklungskonzept vorgelegt. Im Fokus stehen die Kinder: Es soll mehr Freizeitangebote geben, auch mehr Betreuungsangebote an der Volksschule. Zudem soll die Schule stärker bei der Betreuung fremdsprachiger Kinder unterstützt werden.
Auch will die Stadt Schulwege sicherer machen, zentrale Strassen wie Fluhmühlerain, Heiterweidweg und Längweiherstrasse umgestalten.
Über einen Sonderkredit von 1,7 Millionen Franken entscheidet als Nächstes der Grosse Stadtrat.