In Zeiten von Coronavirus: Sind Smartphone-Daten Segen oder Fluch?
Wegen dem Coronavirus werden auch in der Schweiz Smartphone-Daten verwendet. Eine freiwillige Weitergabe von Daten müsse diskutiert werden, so Bundesrat Berset.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Smartphone könnte in diesen schwierigen Coronavirus-Zeiten hilfreich sein.
- In asiatischen Ländern werden persönliche Daten von Mobiltelefonen gesammelt.
- Auch die Schweiz sammelt Handy-Daten, aber in anonymisierter Form.
Die Coronavirus-Pandemie ist eine globale Krise nie dagewesenen Ausmasses. Viel wird unternommen, um die Ansteckungsrate mit dem Covid-19 so flach wie möglich zu halten. Menschen sollen etwa ihre direkten sozialen Kontakte auf ein Minimum beschränken, damit sich das Virus nicht schnell verbreiten kann.
Auch das Nachverfolgen von infizierten Personen und deren Kontakten scheint unerlässlich. Damit sollen die betroffenen Personen identifiziert und zur Isolation aufgerufen werden können.
Dazu könnte ein Gerät hilfreich sein, das sich in den letzten zwei Jahrzehnten ähnlich wie ein Virus ausgebreitet hat: Das Smartphone.
Coronavirus: Asiatische Länder setzten auf Personen-Tracking
Staaten wie China, Singapur oder Südkorea setzen bereits voll auf Smartphone-Daten, um die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Und es scheint aufzugehen – Die Ansteckungsraten mit dem Coronavirus stagnieren. Mit GPS-Daten werden in China etwa Personen breitflächig getrackt. In Korea zeigt eine Live-Karte die Bewegungsmuster von Infizierten.
Und auch in der Schweiz werden Standortdaten dem Bund überliefert. Die Swisscom etwa stellt dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) Standortdaten aus ihrem Mobilfunknetz zur Verfügung. So will das BAG überprüfen, ob das Verbot von Ansammlungen von mehr als fünf Personen im öffentlichen Raum eingehalten wird.
Epidemiengesetz vor Datenschutz
Klar ist: In der derzeitigen ausserordentlichen Lage kommt das Epidemiengesetz vor dem Datenschutzgesetz. Dies erklärte Anwalt für Recht im digitalen Raum Martin Steiger gegenüber «10vor10». Der Bundesrat habe nun alle notwendigen Rechte, um Massnahmen gegen die Verbreitung des Virus zu ergreifen. Er könnte darum den Bürgern auch Tracking-Apps verordnen.
Dies dürfe natürlich nur im Sinne der Verhältnismässigkeit passieren. Heisst: Die Mittel müssen zumutbar und möglichst datenschutzfreundlich sein, so Steiger.
Krux der Datensicherheit und Privatsphäre
Soweit will der Bundesrat «noch» nicht gehen. Derzeit stellt die Swisscom lediglich dem BAG Standortdaten ihrer Kunden von vor 24 Stunden zur Verfügung. Die Daten seien vollständig anonymisiert und Rückschlüsse auf Bewegungsprofile seien nicht möglich, versichert das BAG.
Von Tracking-Apps hingegen sieht der Bund derzeit ab. Mit solchen Apps könnten Personen – etwa via GPS – verfolgt werden und viel genauere Standortdaten liefern. Es gelte darüber zu diskutieren, so Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch, ob aber Schweizer persönliche Informationen freiwillig preisgeben wollen.
Freiwillig wäre akzeptabel
Rein technisch ist auch in der Schweiz das Tracking von Einzelpersonen möglich. Doch das wäre ein zu grosser Eingriff in die Privatsphäre, wie Anwalt Steiger erklärt.
Und: «Es besteht die Gefahr, dass es ein andauernder Eingriff bleibt.» Das zeige etwa das Beispiel 9/11. Damals habe man den Sicherheitsstaat erheblich ausgebaut. «Die meisten Massnahmen haben wir heute noch.»
Derzeit herrsche eine ausserordentliche Lage, die sich hoffentlich bald wieder normalisiert. Das müsse dann auch für Massnahmen gelten, fordert Steiger.
Akzeptabel fände er hingegen Apps auf freiwilliger Basis. Hier könnten Nutzer aktiv und freiwillig ihre Einwilligung geben.
Aktive und freiwillige Einwilligung
Auf eine freiwillige Massnahme setzt derzeit die Seite «covidtracker.ch». Eine Gruppe von Forschern startete jüngst die landesweite geografische Datensammlung. Ziel ist, in kürzester Zeit eine regionale Karte der potentiellen Gefahrenherde des Coronavirus zu erstellen.
Infizierte und gesunde Menschen aus der Schweiz können eine Selbsteinschätzung ihrer Gesundheitssituation erfassen. «Die Konstellation der Daten erlaubt keinen Rückschluss auf Personen», erklärt Infektiologe Jan von Overbeck gegenüber Nau.ch. Weder die Adresse, noch die volle Telefonnummer oder das komplette Geburtsdatum werde erfragt.
Das Problem: Die Datensammlung wird nur präzise, umso mehr Personen an der Kampagne teilnehmen. Der «Covidtracker» ist darum darauf angewiesen, dass möglichst viele Menschen mitmachen.
Auch die Eidgenössische Hochschule in Lausanne entwickelt derzeit eine App auf freiwilliger Basis. Diese soll wenn möglich noch bei dieser Pandemie zum Einsatz kommen. Das Ziel ist, dass Personen gewarnt werden, falls sie früher Kontakt mit einer am Coronavirus infizierten Person hatten.