Informationspflicht von ehemaligem Luzerner IT-Chef umstritten
Ein ehemaliger IT-Chef des Kantons Luzern, der der Korruption beschuldigt wird, hat am Donnerstag im Berufungsprozess auf Freispruch plädiert. Uneinigkeit herrschte darüber, ob er den Arbeitgeber über seine Provisionsverträge mit IT-Firmen hätte informieren müssen.
Das Luzerner Kriminalgericht hatte den heute 51-Jährigen 2017 wegen sich bestechen Lassen zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Der Verteidiger des ehemaligen Leiters der Luzerner Dienststelle Informatik (DIIN) forderte einen Freispruch oder eine Rückweisung an die Vorinstanz.
Die Staatsanwaltschaft dagegen beantragte eine teilbedingte Freiheitsstrafe von drei Jahren. Ein Jahr davon solle der Angeklagte verbüssen. Die Probezeit solle zwei Jahre betragen.
Als Zeuge vorgeladen war am Kantonsgericht Regierungsrat Marcel Schwerzmann (parteilos). Der damalige Finanzminister war direkter Vorgesetzter des Angeklagten. Dieser war zuerst als externer Projektleiter für den Kanton tätig, wurde 2010 zum Leiter ad interim der DIIN ernannt und später zum Dienststellenleiter gewählt. Er blieb bis 2011.
Laut der Staatsanwaltschaft hatte er in dieser Zeit fünfmal Provisionszahlungen über mehrere hunderttausend Franken erhalten von IT-Firmen, wobei er bei der DIIN selber Kontroll- und Vergabeinstanz gewesen sei. Der Angeklagte sagte vor Gericht, diese Provisionen seien auf Verträge aus früheren Jahren zurückzuführen. Er habe keinen Auftrag erhalten, irgendetwas abzugeben.
Die Anstellung beim Kanton habe er nicht gesucht. Seine Bedingung für die Annahme der Wahl zum Dienststellenchef, dass er seine Firma und bestehende Provisionsverträge mit IT-Firmen behalten dürfe, habe er mündlich geäussert. «Genau das würde ich mir heute schriftlich bestätigen lassen.»
Regierungsrat Schwerzmann sagte, er habe bei der Anstellung nicht gewusst, dass die Firma, an der der Beschuldigte beteiligt war, mit der DIIN in einem Vertragsverhältnis stand. Wäre das der Fall gewesen, hätte er ihn entweder nicht zur Wahl vorgeschlagen oder der Vertrag hätte aufgelöst werden müssen.
Schwerzmann führte aus, dass es damals beim Kanton kein Verfahren gegeben habe, das systematisch die Interessenbindungen der Bewerber abgeklärt hätte. «Heute haben wir ein solches Formular.»
Der Verteidiger sagte, er habe noch nie gehört, dass der Arbeitnehmer alles offenlegen müsse, ohne dass er danach gefragt werde. Der Staatsanwalt entgegnete, es bestehe keine Nachfragepflicht des Arbeitgebers nach Verflechtungen. Es wäre in der Verantwortung des Angeklagten gestanden, darüber zu informieren, insbesondere im Hinblick auf die Position als Dienststellenleiter.
Der Staatsanwalt machte ein schweres Verschulden geltend. Der Beschuldigte habe als Chefbeamter Vorbildcharakter gehabt. «Es ist ein Schaden entstanden.» Kein Bürger habe Vertrauen in eine Behörde, die sich neben ihrem Lohn auch noch bereichern wolle und dies in einem Bereich, wo die Verwaltung für Korruption besonders anfällig sei, zumal viel externe Aufträge vergeben würden.
Der Beschuldigte habe seine Machtposition mehrfach missbraucht, was typisch für Korruption sei. Mit Vertrauensbruch gehe Vertrauensverlust einher. Diesen Punkt habe die Vorinstanz zu wenig gewürdigt.
Als Beweise für die Taten führte er einerseits Zahlungseingänge der Firma des Beschuldigten und anderseits den «konspirativen Mail-Verkehr» zwischen dem Beschuldigten und Vertretern von IT-Firmen auf.
Die Verteidigung führte ins Feld, rechtlich reiche ein Interessenskonflikt alleine nicht. Es müsste ein Missbrauch des Ermessensspielraums vorliegen. Wenn also sein Mandant eigene finanzielle Interessen höher gewichtet hätte als die Interessen des Kantons als sein Arbeitgeber, was nicht der Fall sei.
So habe er etwa Kosten beim Strategieprozess, beim Servicedesk und bei der Beschaffung von Hardware eingespart. Hätte er den eigenen Profit vor Augen gehabt, so hätte er etwa Strategieaufträge nicht heruntergefahren. Auch Schwerzmann lobte, der Angeklagte habe dem Kanton viel Gutes getan.
Die Verteidigung sagte, sie interpretiere die Strafanzeige als Befreiungsschlag des Regierungsrats, der unter grossem Druck gestanden habe. Der ideelle Schaden, der geltend gemacht werde, habe sich der Kanton aber selber zuzuschreiben, etwa von Regierungsseite geäusserte Vermutungen zu möglichen finanziellen Schäden, was einer Vorverurteilung gleichkomme. Der Beschuldigte sagte, heute finde er keinen Job mehr, auf dem Markt sei er geächtet.
Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich eröffnet.