Interaktive Swisscom Werbung ist laut Tierschutz wohl nicht legal
Das Wichtigste in Kürze
- «Beem» ist interaktive Werbung, die mit Hochfrequenztönen das Handy steuern kann.
- Laut Swisscom stören die Töne Tiere nicht.
- Der Tierschutz sieht das anders: Womöglich seien die Beem-Geräte gar nicht zulässig.
Nichts weniger als eine Revolution im Werbemarkt sei «Beem», kündigte die Swisscom Ende Mai an. Klassische Plakate und Spots werden interaktiv, dank «einem hochfrequentigen Ton-Signal ausserhalb des Hörbereichs». Das Signal kann von beem-fähigen Smartphone-Apps empfangen werden. Aber, warnen Tierschützer: Auch von Hunden, Katzen und Wildtieren.
Swisscom relativiert
Die Töne mit Frequenzen von 18,5 bis 19,5 kHz seien maximal 60 Dezibel laut, teilt die Swisscom auf Anfrage mit. Also im Bereich eines lauten Gesprächs. Untersuchungen einer Tierklinik hätten gezeigt, dass die Audiofrequenzen Tiere weder stören noch beeinträchtigen. Das bezweifelt die Expertin beim Schweizer Tierschutz, Tierärztin Julika Fitzi, aber stark.
«Die Datenerfassung durch lediglich ‹eine Tierklinik› ist aus meiner Sicht nicht ausreichend.» Eine hieb- und stichfeste Abklärung müsse viel gründlicher sein. Fitzi verweist auf die Tierschutzverordnung. Für Hunde unangenehme akustische Signale sind verboten, ebenso andauernder Lärm, der Flucht- oder Aggressionsverhalten auslösen könnte.
Katzen können keine Plakate lesen
Nun sind 60 Dezibel zwar nicht sehr laut, aber das permanente Beem-Gepiepse könnte auf die Dauer auf die Nerven gehen. Die Lösung wäre laut Fitzi ein Verbot, Hunde in der Nähe solcher Hochton-Plakate anzubinden. «Aber dann haben wir das Problem: In welchem Umkreis gilt das?», gibt Fitzi zu bedenken.
Zudem müsse die Pieps-Warnung für alle Hundehalter klar ersichtlich sein. Fast ein Ding der Unmöglichkeit bei Blindenhunden, ganz zu schweigen von Katzen und Wildtieren: «Die kann man ja nicht wegdirigieren.»
Die von Beem verwendeten Frequenzen sind im Bereich derer von Katzenschreck-Geräten. Für Fitzi ist deshalb klar: «Wenn das Plakat quasi als ‹Hundeschreck› wirkt, dann fällt es unter die Tierschutzverordnung.»
Von fliegenden Presslufthämmern…
Besonders relevant sind Hochfrequenztöne aber für Fledermäuse, die sie nicht nur hören, sondern auch für ihren Radar selbst ausstossen. Hier gibt Fledermauskenner Martin Obrist von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL immerhin Entwarnung.
Selbst ihm sind zwar keine entsprechenden Untersuchungen bekannt. Doch die Fledermäuse würden wohl eine solche Hochton-Quelle einfach als Lärm wahrnehmen, inspizieren und dann einen Bogen darum fliegen. Denn nur wenige einheimische Arten seinen so leise wie 60 Dezibel: «Die meisten rufen eher mit 100 bis 120 Dezibel. Also fliegende Presslufthämmer, wenn Sie so wollen.»
…und verhaltensgestörten Hunden
Ein anderer Fall sein, wenn «so ein Beem-Teil» in der Nähe eines Fledermausquartiers aufgestellt werde. «Das könnte schon Einfluss auf das Verhalten haben», meint Obrist. Also doch ganz ähnlich wie bei dauer-bepiepsten Hunden.
Davor warnt Julika Fitzi ausdrücklich: «Eventuell haben wir dann einfach recht viele verhaltensgestörte Hunde in den nächsten Jahren. Hunde, die unruhig werden und in Panik geraten, dem Besitzer entwischen und womöglich noch unters Auto kommen.»
Ist Beem gar nicht legal?
Sollte sich später herausstellen, dass durch Beem Schäden entstehen, könne das für die Swisscom grössere Konsequenzen haben. «Auch Haftrechtliche», betont Fitzi.
Schäden, die gross sein könnten. «Es kann sein, dass dabei ‹nur› ein Hund zu Schaden kommt. Es kann aber auch sein, dass ein Autofahrer wegen einem irritierten Hund erschrickt und dann in eine Menschengruppe reinfährt.» Fitzis Warnung an die Swisscom deshalb: «Auch wenn es nur vorübergehend ist: Die Verwendung dieser Geräte ist aufgrund der Tierschutzgesetzgebung wohl nicht zulässig.»