Jean Ziegler verteidigt Radikalität der Klima-Aktivisten
Die Blockierung der Credit Suisse in Zürich sei gerechtfertigt, sagt Soziologe Jean Ziegler. Für einen Wandel sei schon immer Gewalt nötig gewesen, erklärt er.
Das Wichtigste in Kürze
- Jean Ziegler stellt sich hinter die Sitzblockade der Klima-Aktivisten vor Grossbanken.
- Gewalt sei der einzige Weg, die «kannibalische Weltordnung des Kapitalismus» zu brechen.
- Damit rechtfertigt er auch den Spruch «Ersäuft die Banker, nicht das Packeis!».
Jean Ziegler ist bekannt für scharfe Worte. Jetzt äussert sich der 85-Jährige zu den Klimademonstranten, die am Montag die Credit Suisse in Zürich blockierten. Diese wollten auf die klimaschädlichen Investitionen von Schweizer Grossbanken aufmerksam machen.
«Das ist grossartig, diesen Aktivisten muss man gratulieren. Das Besetzen ist kein Problem, das ist ja kein Verbrechen», zeigt sich Ziegler auf «TeleZüri» begeistert. «Die junge Generation ist für mich eine absolute Hoffnung. Das ist eine Bewegung, die aus dem Bewusstsein herauskommt.»
«Diese Kinder sagen: Der Kapitalismus macht diesen Planeten kaputt – zum Beispiel durch die Klimaerwärmung.» Was er grossartig fände dabei, sei die absolute Radikalität.
Die Banken würden unterstützen, dass die grössten Erdöl-Konzerne im letzten Jahr ihre Produktion um fast einen Fünftel erhöhten – und kein Staat könne etwas dagegen tun. «Ich glaube, die Klima-Aktivisten sind getrieben von Angst. Und deshalb sind sie so radikal und verlangen vom Staat eine effiziente Intervention gegen diese internationalen Konzerne.»
Jean Ziegler unterstützt «Ersäuft die Banker»-Ruf
Bei einer Klimademonstration in Genf waren auch Zieglers drei Enkelinnen dabei. Eine Teilnehmerin habe dort gerufen «Ersäuft die Banker, nicht das Packeis!», so Moderator Markus Gilli. Er will von Ziegler wissen, ob diese Radikalität gerechtfertigt sei. «Ja, die ist gerechtfertigt», erwidert Ziegler.
«Ein Mord?!», fragt Gilli ungläubig nach. «Das ist natürlich etwas symbolisch gedacht. Aber diese Forderung ist berechtigt, wenn man feststellt, dass unser Planet kaputt geht und die Menschheit verschwindet, wenn die Klimaerwärmung so weiter geht.»
Daher: Für den Wandel kommen für Ziegler – der sein neues Buch «Was ist so schlimm am Kapitalismus?» als Waffe bezeichnet – auch die Mittel der Gewalt in Frage. «Ich wünschte mir, dass es ohne Gewalt und nur mit friedlichem Aufstand des Gewissen gehen würde.»
Der Materialist Ziegler glaubt, dass das Bewusstsein und die Erkenntnismöglichkeiten des Menschen durch Materie definiert sind – und damit auch die Verhältnisse und deren Veränderungen in der Welt. Darum: «Wenn ich die Geschichte anschaue, sehe ich, dass nie eine Herrschaftsklasse freiwillig auf ihre Macht verzichtet hat.»
Es geht um das Überleben der Menschheit
Hintergrund von Jean Zieglers Sympathie für die Klimajugendlichen bildet seine grundsätzliche Kritik am Kapitalismus. «Der Kapitalismus kann sehr viel, kontrolliert die technologische Entwicklung, steigert die Produktionskräfte. Aber dieser Reichtum wird von einigen wenigen Oligarchien monopolisiert – und diese befehlen den stärksten demokratischen Staaten der Welt.»
Die Konzerne funktionieren nach dem Prinzip der Profitmaximierung. «Diese Welt-Diktatur der Oligarchien des globalisierten Finanzkapitals muss gebrochen werden, bevor sie diesen Planeten total zerstören.»
Der Soziologe nennt das Beispiel der Erdölgesellschaften. 80 Prozent des CO2-Ausstosses stamme schliesslich aus fossiler Energie. «Da haben die Jungen von Zürich 100'000 Mal recht, wenn sie sagen: Das muss gestoppt werden. Auch mit radikalen Mitteln, denn es geht um das Überleben der Menschen auf diesem Planeten.»