Kanton St. Gallen: Neue Anlaufstelle Radikalismus und Extremismus
Im Kanton St. Gallen sollen mit einer neuen Fach- und Anlaufstelle Tendenzen zur Radikalisierung und zu Extremismus vorgebeugt werden. Das niederschwellige Angebot funktioniert kostenlos und ist für die ganze Bevölkerung gedacht.

Der Start der Fach- und Anlaufstelle Radikalisierung und Extremismus - kurz Farex - ist eine erste Massnahme aus einem ganzen Paket, das der Kanton St. Gallen umsetzen wird. Auslöser war unter anderem das Neonazi-Konzert in Unterwasser im Herbst 2016. Danach wurde im Februar 2018 im Kantonsrat ein Postulat überwiesen, indem es um Möglichkeiten zur Bekämpfung von Extremismus ging.
Es sei ruhiger geworden um das Thema, stellte Regierungsrat Fredy Fässler (SP) am Donnerstag an der Medienorientierung fest. Die Bedrohung werde die Gesellschaft aber auch in Zukunft beschäftigen. Radikalisierung und Extremismus gebe es auch im Kanton St. Gallen. Nur sei bisher nicht klar gewesen, wohin man sich bei Sorgen und Beobachtungen wenden müsse.
Fässler nannte Beispiele: Was mache jemand, der im Zimmer der Tochter Nazi-Embleme sehe? Oder jemand, der entdecke, dass der Göttibub auf dem Handy jihadistische Videos schaue? Die Radikalisierung sei ein Prozess, den man stoppen könne, vor allem wenn ein Eingreifen frühzeitig erfolge, betonte der Vorsteher des Sicherheits- und Justizdepartements.
Die neue Fach- und Anlaufstelle sei für die ganze Bevölkerung da. Sie soll niederschwellig und zentral funktionieren. Es gibt dafür eine einzige Telefonnummer (0848 0848 55), eine Mailadresse und eine Homepage www.farex.ch.
Dorthin können sich Jugendliche, Erwachsene und Fachpersonen wenden, wenn sie sich Sorgen um Familienmitglieder, Freunde, Kollegen, Nachbarn, Schüler - «oder um sich selbst machen», wie es auf dem Flyer heisst. Man rechne damit, dass auch Fälle gemeldet werden, die weit weg von einer wirklichen Bedrohung seien, sagte Fässler.
Die Stelle sei Insel, sie sei vernetzt mit kantonalen Fachstellen, der Schul- und Sozialarbeit, mit der Psychiatrie aber auch mit der Kesb oder der Polizei, hiess es an der Medienorientierung. Die Farex ist beim Schulpsychologischen Dienst angesiedelt, konkret bei der Gruppe für Kriseninterventionen. Sie arbeitet bereits bisher mit einem Pikettdienst und ist deshalb stets erreichbar.
Einfache Anfragen würden auch als einfache Anfragen behandelt, kündigte Esther Luder, Leiterin der Farex, an. Angeboten werden Beratungen am Telefon, aber auch direkte Gespräche. Unterstützung gebe es weiter für Personen, die aus einer radikalen Gruppierung aussteigen wollten. Die Sorgen kämen oft an Wochenenden oder an Abenden zum Vorschein, deshalb sei die Erreichbarkeit rund um die Uhr wichtig.
Mit im Boot sind auch die Gemeinden. Die Farex startet nun für eine zweijährige Pilotphase. Die Kosten von 119'000 Franken pro Jahr trägt vorläufig der Kanton. Später ist eine Beteiligung der Kommunen möglich. Die Gemeinden seien zurückhaltend, wenn es um neue Anlaufstellen gehen, sagte Beat Tinner als Vertreter der Vereinigung der St. Galler Gemeindepräsidentinnen und -Präsidenten VSGP. Hier gebe es aber tatsächlich eine Lücke, die man füllen müsse.