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Ständerat: Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene bleibt

Der Ständerat will keinen härteren Kurs gegenüber vorläufig Aufgenommenen. Die SP ist sehr erleichtert, die SVP reicht einen neuen Vorstoss ein.

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WidmerFamiliennachzug - nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene soll weiterhin bestehen.
  • Mit knappen 20 zu 18 Stimmen kippt der Ständerat den Entscheid des Nationalrats.
  • Die SVP legt nach mit einem neuen Vorstoss, während bei Linken die Emotionen hochgehen.

Der Ständerat hat mit knappem Mehr einen härteren Kurs gegenüber vorläufig Aufgenommenen abgelehnt. Wer kein Asyl erhält, aber nicht ins Heimatland zurückgeschickt werden kann, soll Familienangehörige weiterhin in die Schweiz holen können.

Mit 20 zu 18 Stimmen und mit vier Enthaltungen lehnte der Ständerat am Mittwoch zwei gleich lautende Motionen der SVP-Fraktion und von SVP-Ständerätin Esther Friedli (SG) ab. Beide mit dem gleichen Stimmenverhältnis.

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FriedliFamiliennachzug - nau.ch

Friedli sprach nach der Debatte von einer «interessanten Diskussion», auch wenn sie sich einen anderen Ausgang gewünscht hätte. «Denn es ist wichtig: ‹Vorläufige Aufnahme› ist kein Bleiberecht in der Schweiz, da kann man nicht noch die Familie nachziehen.»

Beide Motionen forderten ein Verbot für vorläufig Aufgenommene, ihre Familien in die Schweiz zu holen. Der Nationalrat hatte die Motion der Fraktion gutgeheissen. Mit dem Doppel-Nein sind beide Vorstösse nun aber vom Tisch.

SP-Widmer: «Selten so emotional»

SP-Nationalrätin Céline Widmer ist weniger überrascht als vor allem sehr erleichtert über den Entscheid, wie sie gegenüber Nau.ch sagt. «Der Ständerat hat einen absolut unmenschlichen Entscheid des Nationalrats korrigiert.»

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Der Ständerat während der Wintersession 2024. - keystone

Beide Politikerinnen bestätigen den Eindruck, dass es eine sehr emotionale Debatte war. «Ich kann Ihnen ehrlich sagen, ich bin selten so emotional wie in diesem Moment», sagt SPlerin Widmer auch noch Stunden später. «Das ist ein ganz wichtiger Entscheid.»

Petition mit 140'000 Unterschriften

Nicht nur im Ratsaal, auch in der öffentlichen Diskussion war Druck auf die Ständerätinnen und Ständeräte aufgebaut worden. Innert kurzer Zeit kam eine Petition mit rund 140'000 Unterschriften zustande.

«Ich denke, das hat schon einen Einfluss gehabt», meint SP-Nationalrätin Widmer. «Ich bin sehr froh, dass sich die Zivilbevölkerung eingemischt hat und gesagt hat: Stopp, halt, so nicht.»

SVP will nun Dänemark als Vorbild nehmen

Davon mag SVP-Ständerätin Friedli nichts wissen: «Ich habe nichts mitbekommen, auch nicht von einer Petition.» Sie bedaure einfach, dass sie mit ihrer Motion nicht durchgekommen sei. Aufgeben will sie deswegen aber nicht: «Wir haben gerade heute wieder einen neuen Vorstoss in diesem Bereich eingereicht.»

Sollen vorläufig Aufgenommene ihre Familien in die Schweiz nachziehen dürfen?

Dieser fordere, dass sich die Schweiz auch beim Familiennachzug Dänemark als Vorbild nehme, erläutert Friedli. «Die Schweiz wäre gut beraten, wenn sie sich in verschiedenen Bereichen, vor allem auch in der Asylpolitik, an Dänemark orientieren würde. Dänemark hat das Leit-Credo, dass sie unattraktiv werden vor allem für illegale Zuwanderer. Das hat auch eine gewisse abschreckende Wirkung.»

Verbot würde Recht auf Achtung des Familienlebens zuwiderlaufen

Der Ständerat folgte der Mehrheit der Staatspolitischen Kommission (SPK-S). Familiennachzüge, von denen nur wenige bewilligt würden, eigneten sich schlecht, um die Zuwanderung zu steuern, sagte Sprecher Stefan Engler (Mitte/GR). Ein Verbot würde dem Recht auf Achtung des Familienlebens und des Privatlebens zuwiderlaufen.

Betroffen seien vor allem Frauen und Kinder, etwa hundert im Jahr, fügte Pierre-Yves Maillard (VD/SP) hinzu. Und ihr Aufenthalt in der Schweiz sei geregelt. «Es geht um Abschreckung», stellte Tiana Angelina Moser (GLP/ZH) fest, und diese treffe den innersten Kern der menschlichen Beziehungen.

Esther Friedli
Ständerätin Esther Friedli (SVP/SG) an der Herbstsession. - keystone

Esther Friedli (SVP/SG) begründete die Forderung mit der anhaltenden Zuwanderung. «Es leben über 9 Millionen Menschen im Land, und die Tendenz ist steigend.» Dabei spiele der Familiennachzug eine entscheidende Rolle. Vorläufig Aufgenommene hätten kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und müssten die Schweiz verlassen.

Bundesrat Jans: Motionen verletzten Menschenrechtskonvention

Die Motion sei zu starr formuliert, greife aber ein Thema auf, das geprüft werden müsse, ergänzte Daniel Fässler (Mitte/AI). Mit möglichen Einschränkungen beim Familiennachzug habe sich die Kommission nicht eingehend beschäftigt, sagte Matthias Michel (FDP/ZG). «Zu viele Fragen bleiben offen.»

«Der Auftrag der Motionen ist klipp und klar», sagte Justizminister Beat Jans. Diese verletzten die Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention. Um ihre Familie in die Schweiz holen zu können, müssten vorläufig Aufgenommene ausgesprochen strenge Kriterien erfüllen. «Wir sind strenger als die meisten Länder.»

Beat Jans
Bundesrat Beat Jans während der Debatte um den Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene am 18. Dezember 2024. - keystone

Der Status «vorläufig aufgenommen» sei für Bürgerkriegs- und Kriegsflüchtlinge geschaffen worden, sagte Jans. «Weil man sie nicht ins Heimatland zurückführen kann, sind sie legal hier.» Ein Zeichen zu setzen, sei nicht nötig, sagte Jans. «Was wir brauchen, sind konkrete Lösungsvorschläge.»

Kommentare

User #5599 (nicht angemeldet)

Sozialindustrie und Kirchen machen Millionen.

User #5639 (nicht angemeldet)

Die Behörden strotzen vor Faulheit.!

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