Hinter der Weiher-Kette zum Schutz der Geburtshelferkröte am Baselbieter Elbisberg in Liestal und Füllinsdorf versteckt sich eine verrückte Geschichte.
Geburtshelferkröte
Die Geburtshelferkröte wird umgangssprachlich «Glöggifrosch» genannt. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • An den Waldrändern des Elbisbergs in Liestal und Füllinsdorf wurden vier Weiher angelegt.
  • Das Projekt steht unter der Trägerschaft des Baselbieter Natur- und Vogelschutzverbandes.
  • Ziel ist es, den bedrohten Glöggifrosch vom Aussterben zu bewahren.
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Wir Menschen verwenden nur allzu gedankenlos Tierbezeichnungen, wenn wir Artgenossen dummes oder niederträchtiges Verhalten vorwerfen: Glögglifrosch gehört zu ihnen. Als solchen werden landläufig geistlos agierende Personen bezeichnet, die fern von Vernunft und Logik handeln.

In Wahrheit ist der Glögglifrosch ein faszinierendes Geschöpf, das vom Aussterben bedroht ist: Zwischen 1993 und 2018 nahm sein Bestand in der Schweiz um etwa 50 Prozent ab. Dieser alarmierende Befund hat dazu geführt, dass Amphibienforschende, Tierschützer und Amtsstellen grosse Anstrengungen unternehmen, diesen kleinen hübschen Hüpfer von höchstens fünfeinhalb Zentimetern Länge vor dem Aussterben zu bewahren.

Diesem Ziel dient ein Projekt unter der Trägerschaft des Baselbieter Natur- und Vogelschutzverbandes (BNV), das in diesen Tagen an den westlich orientierten Waldrändern des Elbisbergs in Liestal und Füllinsdorf eingeweiht wurde.

Konkret geht es um die Anlage von vier Weihern; drei davon liegen im Gebiet Altmatt und Hümpelihof in Füllinsdorf, ein Zwillingsweiher liegt hoch oben im Liestaler Üetental, einem kleinen, wunderbar naturnahen Seitental des Ergolztals. Diese künstlich angelegten Tümpel haben den Zweck, bereits bestehende Weiher zu einer «Perlenkette» (Projektname) zu verdichten.

Nur ein enger Abstand zwischen den Weihern sichert den genetischen Austausch

Diese Verdichtung ist für den Glögglifrosch existenziell: Nur wenn der Abstand zwischen zwei Gewässern weniger als 500 Meter beträgt, kann der genetische Austausch zwischen Weiherfamilien stattfinden und Schaden durch Inzucht oder Krankheiten vermindert werden.

Es war die Biologin Franziska Studer, die diesen Sachverhalt in ihrer Masterarbeit über die Verbreitung des Glögglifroschs im Baselbiet erforschte. Dabei konnte sie sich auch auf das letzte grosse Monitoring des Lurchforschers Benedikt Schmidt aus dem Jahr 2007 abstützen. Ihre Erkenntnisse bildeten die Grundlage eines Aktionsplans, den die kantonale Abteilung Natur und Landschaft im Jahr 2020 gründete.

Die vier seither geschaffenen Gewässer der «Perlenkette Elbis», von Franziska Studer als geeignete Standorte evaluiert, sind nicht nur ein Referenzprojekt, sondern auch ein Beleg dafür, dass das Baselbiet und seine Umweltverbände mit der Biodiversität vorwärtsmachen. Doch dabei soll es nicht bleiben: Bis 2025 sollen im Kanton 36 neue Weiher in diesem Stil erstellt oder saniert werden.

Franziska Studer
Die Initiative zur «Perlenkette» geht auf die Biologin Franziska Studer zurück. - Onlinereports.ch

Nötig ist die menschliche Unterstützung, weil der natürliche Lebensraum des Glögglifroschs, ursprünglich in wilden Auenlandschaften, Kiesbänken und Geröll heimisch, durch Eindolung von Fliessgewässern und Begradigung von Flüssen verloren ging. So auch am Unterlauf der Ergolz, sodass die Frösche an die bewaldete Westflanke des Elbisbergs auswichen. «Mit den Weihern machen wir hier oben Ergolz», spielt Expertin Studer lachend auf die Lebensraum-Verlagerung an.

Die neu geschaffenen Biotope sind eingefasst mit Jurakalkstein-Brocken, Wurzelstöcken, Kies und Sand. Anfallendes Schnittgut soll Ringelnattern oder Zauneidechsen anziehen.

Die mit Regenwasser gespeisten und mit einer Kautschuckfolie abgedichteten Weiher bieten bei Weitem nicht nur dem Glögglifrosch eine neue Heimat. Auch Libellen, Mücken und Molche, aber auch speziell förderungswürdige Vogelarten wie Gartenrotschwanz, Neuntöter oder Wendehals werden sich hier tummeln. BNV-Präsident Simon Hohl schliesst sogar nicht aus, dass hier «auch einmal eine Wildsau baden geht».

Es ist nicht erwünscht, «dass sich Wanderer hier die Füsse waschen»

Die Projektverantwortlichen, unter ihnen das Liestaler Ingenieurbüro Götz, haben bewusst darauf verzichtet, die Standorte publikumswirksam zu präsentieren. Es sei nicht erwünscht, dass «sich Wanderer hier die Füsse waschen», sagt Hohl. Er schliesst aber den Besuch von Schulklassen im Rahmen einer Exkursion nicht aus. Die Tierwelt soll entlang der «Perlenkette» durch den Homo sapiens in Ruhe gelassen werden.

In eigener Sache dürfte sich die Dezibelzahl schon in absehbarer Zeit aber deutlich erhöhen. Denn der Glögglifrosch erhielt seinen Namen durch seinen Ruf während der Zeit der Fortpflanzung von März bis August, wenn die Männchen um die Gunst paarungsbereiter Weibchen buhlen:

Dann vereinigen sich von Männchen – und Weibchen – flötende Töne in unterschiedlicher Höhe, Wärme und Kadenz zu einem mehrstimmigen Glockenspiel. Zweifelsfrei identifizierbar ist die Steinkröte (wie sie auch genannt wird) durch ihre auffällig goldfarbenen Augen und senkrechten schwarzen Pupillen.

Weyer
«Wir holen die Ergolz herauf»: Neue Weiher im Üetental. - Onlinereports.ch / Peter Knechtli

In der Wissenschaft figuriert der Glögglifrosch unter der Bezeichnung Geburtshelferkröte. Dabei entpuppt sich das Männchen als «emanzipierte Amphibienart» (Studer): Es kümmert sich um die Brutpflege. Nicht nur hilft es dem Weibchen bei der Entbindung der Laichschnüre. Auch schnallt es sich die anfänglich gelben Fäden auf seine Hinterbeine und begibt sich nach rund drei Wochen ins Wasser, wo die Kaulquappen augenblicklich ausschlüpfen.

Weiher kosten 180'000 Franken

Es sind denn auch vor allem die Jungen, die neue Populationen an anderen besonnten Standorten suchen. Dabei orientieren sie sich an Geräuschen (deshalb darf die Entfernung der Weiher nicht zu gross sein).

Auf 180'000 Franken belaufen sich die Kosten für die Gestaltung der vier Biotope. Davon sind 30'000 Franken für die Pflege auf zehn Jahre budgetiert, wobei Üetental-Bäuerin Lisette Kaufmann die auf Land der Familie Heinis angelegten Zwillingsweiher betreut.

Um die Finanzierung rankt sich eine hübsche Nebengeschichte. Gut 10'000 Franken steuerte der Nachlass des Vereins Pro Ergolz bei. Die Bürgerinitiative setzte sich für den Ausbau der Rheinstrasse anstelle des Baus der J2 (A22) ein.

Nach dem klaren Nein am 28. September 1997 löste sich der Verein auf, verfügte aber noch über ein kleines fünfstelliges Vermögen.

So wurde der Verein Pro Ergolz zum Sponsor der Perlenkette

Dieser Betrag war auch dank des Sponsorings von Baum-Patenschaften zugunsten der Allee entstanden, die bei einem Ja zwischen Hülften und Liestal in Form von 300 Bäumen hätte realisiert werden müssen. Das Volks-Nein machte das Projekt jedoch hinfällig.

Es war Thomas Zumbrunn, der sich sechs Monate nach der Abstimmung erkundigte, ob – wie angekündigt – «schon irgendwelche Bestrebungen im Gange sind, andernorts eine Allee zu realisieren». Der damals 21-jährige Muttenzer Biologie-Student hatte auch eine Patenschaft erworben.

Tatsächlich suchte der Patenschafts-Verwalter von Pro Ergolz nach Allee-Projekten. Unter anderem durch die professionelle Visualisierung des Vorschlags einer Allee entlang der Kasernenstrasse in Liestal. Daraus ist leider bis heute nichts geworden.

Geburtshelferkröte mit Eiern
Übernimmt Brutpflege: emanzipiertes Glögglifrosch-Männchen. - keystone

Die Suche nach einem würdigen symbolischen Patenschafts-Ausgleichs-Projekt ging weiter. Anfragen bei Umweltschutz-Organisationen, privaten und amtlichen Personen blieben ohne fruchtbare Folge. Niemand sah eine Möglichkeit, die gut zehntausend Franken zweckdienlich einzusetzen.

Der Batzen schlummerte während mehr als einem Vierteljahrhundert auf einem Bankkonto – bis sich Thomas Zumbrunn erneut meldete. Inzwischen war er Rünenberger Gemeindepräsident, vor allem aber Co-Geschäftsführer von «Pro Natura Baselland». Ausgerechnet ihm, dem Rheinstrasse-Baumpaten, ist der entscheidende Vorschlag zu verdanken.

Er wurde nämlich fündig – fairerweise und ausgerechnet beim «Konkurrenz-Verband» BNV. Über Simone Ávila, der Präsidentin des Natur- und Vogelschutzverbands Liestal, entstand der glückliche Kontakt zu Robert Brügger. Er ist Geschäftsführer der kantonalen BNV-Sektion, die im «Perlenkette»-Projekt federführend ist.

Über 10'000 Franken für das Projekt

Das Projekt überzeugte: Am 15. April 2024 erfolgte die Überweisung des gesamten Bestands von 10'513.13 Franken zugunsten des BNV (Vermerk: «Donation Pro Ergolz für Glögglifrösch-Weiher»). Das Konto ist saldiert.

Als einer der Baumpaten hätte er sich «natürlich erhofft, dass der Betrag irgendwann einmal doch noch in eine Allee entlang der Rheinstrasse fliesst und dieselbe aufwertet», so Thomas Zumbrunn zu «OnlineReports». «Aber für mich zählt letztlich nur, dass mit dem Geld etwas für unsere arg unter Druck stehende Natur erreicht wurde.»

Eine Informations-Tafel bei den Glögglifrösch-Weihern im Üetental erinnert an diese Episode. Von dort aus bietet sich eine prächtige Aussicht auf das Projektgebiet Rheinstrasse/A22.

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Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.

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