Marco leidet unter Einsamkeit – und erzählt, was sie mit ihm macht
36 Prozent der Schweizer Bevölkerung fühlen sich einsam. Marco erzählt, wie sich die Einsamkeit anfühlt, wie sie irgendwann dazugehört und wie er damit umgeht.
Das Wichtigste in Kürze
- Über ein Drittel der Schweizerinnen und Schweizer geben an, sich einsam zu fühlen.
- Ein Betroffener erzählt, was die Einsamkeit mit ihm macht.
- Es sei ein drückendes Gefühl, sagt er gegenüber Nau.ch.
Einsamkeit ist das Gefühl, alleine zu sein. Gemäss einer Studie des Bundes geben 36 Prozent der Schweizer Bevölkerung an, sich manchmal einsam zu fühlen. Eigentlich also ein signifikantes Problem – trotzdem wird sehr wenig darüber gesprochen.
Einsamkeit ist keine Krankheit. Sich langfristig einsam zu fühlen, kann aber gesundheitliche Folgen haben: von Schlafstörungen und Rückenschmerzen bis hin zu Depressionen. Umgekehrt können psychische Krankheiten betroffene Personen noch tiefer in die Einsamkeit hineintreiben.
Die Gewohnheit: Freund oder Feind?
So war es auch bei Marco. Er ist mittlerweile 55 Jahre alt und arbeitet als Feinmechaniker im Kanton Zürich. Fast sein ganzes Leben war geprägt von leichten bis schweren Depressionen. Diese seien der Auslöser für seine Einsamkeit gewesen.
Es sei ein drückendes Gefühl – er kenne es inzwischen, meint Marco gegenüber Nau.ch. Doch man lerne irgendwie, mit dem Alleinsein umzugehen und werde dadurch auch stark. «Das Allein-sein-Können ist das eine, doch die Gewohnheit ist nicht immer gut.»
Mit der Zeit schaue man gar nicht mehr, was man haben könne, erzählt Marco weiter. Es entwickle sich die Tendenz, einfach alles alleine zu machen.
Pläne in der Zukunft helfen
Und doch werde einem das Alleinsein manchmal vor Augen geführt: «Das Organisieren fällt einem nicht einfach. Die Kollegen haben Familien, sind integriert, die kennen die Einsamkeit nicht. Du hörst über ihre Pläne und fragst dich gleichzeitig, was du am Sonntagnachmittag wohl tun sollst.»
Besonders stark sei das Gefühl nach dem Feierabend, wenn man alleine in die Wohnung zurückmuss. Auch ein Samstagmorgen könne schwer sein, wenn alle mit ihren Familien einkaufen gingen. Oder eben ein Sonntagnachmittag, wenn man einfach nichts mehr mit sich anzufangen wisse.
Dabei helfe es, einen «Weitblick» zu haben, wie Marco es nennt. Sobald man wisse, dass man am Abend etwas loshabe oder telefonieren kann, werde alles erträglicher.
Die Jahreszeit spielt ebenfalls eine Rolle für Marco. «Im Sommer ist es besser – da gehe ich manchmal ins Zeichnen, damit ich wieder etwas unter andere Leute komme. Doch die Winterzeit ist hart, weil einem einfach die Energie fehlt. Da kommt immer wieder diese Hoffnungslosigkeit.»
Psychische Erkrankungen als Auslöser der Einsamkeit
Gerade mit mentalen Gesundheitsproblemen sei es noch schwieriger, meint Marco. «Es wirft einen hoch und runter. Etwas Stabiles aufzubauen, ist beinahe unmöglich. Viel Energie geht schon bei der Arbeit weg, sodass man am Abend gar nichts mehr machen kann.»
In einer guten Phase, eben gerade im Sommer, könne er sich Pläne machen: in den Ausgang gehen, in einem Restaurant ein Gespräch finden. Doch in den schlechten Phasen werde ihm alles zu viel: «Da gehe ich ins Pub und dann gleich wieder raus.»
Ein Hoffnungsschimmer bleibt: Marco wird die Frühlingsferien mit ein paar Leuten in Spanien verbringen. Diese hat er per Zufall in seinen letzten Ferien kennengelernt. «Wir hatten es lässig zusammen und jetzt haben wir abgemacht, wieder dort hinzugehen. Das ist wenigstens etwas, worauf ich mich freuen kann.»
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Fühlen Sie sich einsam?
Es gibt verschiedene Organisationen, die sich dem Thema Einsamkeit und Isolation annehmen. Hier finden Sie Informationen und unterstützende Projekte: www.promentesana.ch/angebote/anzeichen-erkennen/dossier-einsamkeit
Im Treffpunkt Nordliecht in Zürich Wipkingen kann für wenig Geld ein Essen in Gesellschaft eingenommen werden. Weitere Informationen unter www.promentesana.ch/selbstbestimmt-genesen/alltag-gestalten/nordliecht
Brauchen Sie Hilfe?
Sind Sie selbst depressiv oder haben Sie Suizidgedanken? Dann kontaktieren Sie bitte umgehend die Dargebotene Hand (www.143.ch).
Unter der kostenlosen Hotline 143 erhalten Sie anonym und rund um die Uhr Hilfe. Die Berater können Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen. Auch eine Kontaktaufnahme über einen Einzelchat oder anonyme Beratung via E-Mail ist möglich.