Mario* muss zweimal im Jahr neuen Hausarzt suchen

Redaktion
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Bern,

Weil sein Hausarzt keinen Nachfolger findet, wechselt ein Berner Patient in eine Stadt-Praxis. Nach kurzer Zeit macht auch diese zu. Noch immer herrscht Mangel.

Hausarzt
Ein Berner Patient muss sich zum zweiten Mal innert Monaten einen neuen Hausarzt suchen. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Berner Mario G.* muss sich gleich zweimal in einem Jahr einen neuen Hausarzt suchen.
  • Beide Male findet die Praxis keine Nachfolger – auch nicht in der Stadt.
  • Aktuell fehlen in der Schweiz noch immer 2500 Hausärzte.
  • Das BAG macht Hoffnung – ab dem neuen Jahr.

Mario G.* hat genug – der 29-jährige Berner hat bei einer grossen Gruppen-Praxis Unterschlupf gefunden. Zuvor erlebt er den Hausärzte-Mangel am eigenen Leib. Und zwar gleich doppelt innert weniger Monate.

Praktisch sein ganzes Leben lang war Mario Patient in der Praxis Sonne in Riggisberg BE. Hausarzt Thomas Locher fand trotz professioneller Hilfe und 18 Monaten intensiver Suche keinen Nachfolger. Die Türen der ländlichen Klinik sind seit vergangenem Sommer zu.

Hausarzt Hausärztemangel
Die Praxis Sonne in Riggisberg BE ist seit dem 15. Juli 2023 geschlossen. - Praxis Sonne

Weil Mario gehört hat, dass vor allem auf dem Land immer weniger Hausarzt-Praxen existieren, wechselt er in die Stadt. Er übergibt sämtliche Patienten-Unterlagen an die «Südland Praxis Effinger».

Wegen einer Sport-Verletzung besucht er kurz darauf erstmals seinen neuen Hausarzt. Und hat ein gutes Gefühl. Das Vertrauen stimmt, die Behandlung auch – hier möchte Mario für die nächsten Jahre bleiben.

«Ich fühlte mich wie im falschen Film»

Daraus wird nun aber nichts. Nach etwas mehr als einem Jahr werden auch die Patienten der Stadtberner Klinik informiert: Die Praxis geht zu.

«Ich dachte eigentlich, eine Hausarzt-Praxis mitten in der Stadt muss doch rentieren. Ich fühlte mich wie im falschen Film.»

Mario erkundigt sich, warum die Praxis schliessen muss. Und in der Stadt klingt es gleich wie auf dem Land zuvor: Nachfolger-Probleme.

Die Praxis sei für drei hochprozentig arbeitende Ärzte konzipiert gewesen, um rentabel zu sein. Nun habe es Wechsel gegeben, man sei nur noch zu zweit. Ein weiterer Hausarzt konnte nicht mehr gefunden werden, wird Mario mitgeteilt.

In der Schweiz fehlen 2700 Hausärzte

«Die Geschichte von Mario wird sich wiederholen», sagt der Hausärzteverband zu Nau.ch. Man warne seit der Jahrtausendwende vor dem Mangel. «Es fehlen rund 2500 Hausärzte in der Schweiz.»

In welchem Versicherungs-Modell bist du?

Auch wenn es keine Statistiken gebe: «Wir schätzen, dass pro Jahr zwischen 200 und 300 Hausärzte den Beruf aufgeben. Die meisten, weil sie pensioniert werden. Im Schnitt arbeiten die meisten bis 69.»

Jüngere Ärzte arbeiten gerne Teilzeit

Es gibt aber auch andere Gründe. Jüngere Ärzte arbeiten oftmals lieber Teilzeit, was in einem Spital besser möglich ist. Zudem verdient man zum Beispiel als Spezialist deutlich besser.

Um Mangel in der Schweiz zu erklären, spricht man oft auch vom OECD-Soll-Wert. Gemäss diesem sollte es pro 1000 Einwohner jeweils einen Arzt geben. Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH warnt, dass der Wert in der Schweiz nur bei 0,8 liegt. «Auf dem Land liegt er mit 0,4 sehr deutlich darunter.»

Hausarzt
Je heller, desto kleiner ist die Hausärzte-Versorgungsdichte der Einwohner. - Obsan

Der Hausärzteverband präzisiert: «Im Kanton Bern ist das Oberland deutlich stärker betroffen. Im Wallis das Oberwallis, im Kanton Neuenburg die höher gelegenen Kantonsgebiete. Im Kanton Zürich das Oberland – und Schaffhausen als Ganzes.»

Das muss passieren

Die FMH fordert Massnahmen – zum Beispiel: «Es braucht zwingend mehr Nachwuchs und zeitgemässe Arbeitsbedingungen. Wichtig ist deshalb die Erhöhung der Studien- und Weiterbildungsplätze.» Zusätzlich müsse der administrative Aufwand zugunsten der direkten Patientenkontakte vermindert werden.

Bereitet dir der Hausärzte-Mangel Sorgen?

Der Hausärzteverband unterstreicht, dass man schon «unzählige Male festgehalten» habe, in welchen Bereichen man ansetzen müsste. Nebst mehr Hausärzte-Ausbildungen müssten Praxen etwa auch bei administrativen Problemen unterstützt werden. «Leider ist bis heute nur wenig in all diesen Punkten passiert – zu wenig.»

Wird ab 2025 alles besser?

Beim Bund ist das Hausarzt-Problem längst bekannt. Céline Reymond vom BAG sagt: «Trotz Erhöhung der Ausbildungskapazitäten in der Humanmedizin können lediglich 60 Prozent der Assistenzstellen mit inländisch ausgebildetem Personal besetzt werden.»

Es seien aber Massnahmen ergriffen worden – beispielsweise ein Sonderprogramm, das für mehr Masterabschlüsse in Humanmedizin sorgen soll.

Von 2017 bis 2020 wurden dafür 100 Millionen Franken investiert. Das soll sich jetzt auszahlen: «Ab 2025 können jährlich mindestens 1300 angehende Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden. 2016 waren es jährlich noch rund 850.»

Dass der Trend in die richtige Richtung geht, könnten auch die Zahlen des Hausärzteverbands zeigen. Während es heute noch 2500 Hausärzte (Schätzung) zu wenig gibt, sprach man 2021 bei Nau.ch noch von 4700 fehlenden Hausärzten.

Vorwärts machen will man auch im Kanton Zürich. Der Kantonsrat will mit 500 zusätzlichen Medizin-Studienplätzen bis 2028 den akuten Mangel an Ärztinnen und Ärzte bekämpfen. Er hat am Montag die Regierung beauftragt, die dafür notwendigen Mittel zu berechnen.

*Name der Redaktion bekannt und geändert

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Kommentare

User #8893 (nicht angemeldet)

Den ausgebildeten Ärzten müssen die Stellen und Aufgaben zugewiesen werden! Teilzeit abschaffen. Wo sind wir hier?! Es muss sich ändern, fertig mit Kuschelzeiten.

User #2481 (nicht angemeldet)

Manche Hausärzte praktizieren auch nach dem Scheintod noch mit KI weiter.

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