Martin Sellner: Abführung war «Propaganda-Erfolg» für Rechtsextreme
Alles kalkuliert? Der Ösi-Nazi Martin Sellner wurde medienwirksam abgeführt. Ein Experte spricht von einem «Mega-Propaganda-Erfolg der rechtsextremen Szene».
Das Wichtigste in Kürze
- Der Rechtsextremist Martin Sellner wurde am Wochenende von der Polizei abgeführt.
- Sogar X-Chef Elon Musk schaltete sich ein und fragte: «Ist das legal?»
- Ein Experte wirft Polizei und Medien vor, in eine Falle getappt zu sein.
Diese Polizei-Aktion hat von Tegerfelden AG aus weltweit für Aufsehen gesorgt: Am Wochenende löste die Polizei eine Veranstaltung der «Jungen Tat» auf und führte dabei den österreichischen Rechtsextremen Martin Sellner (35) ab.
Drei Stunden lang befand er sich in Polizeigewahrsam, ehe er «zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit» aus dem Kanton Aargau weggewiesen wurde.
Denn: Die Aargauer Kantonspolizei wollte eine «Konfrontation mit Personen der Gegenseite» verhindern. Auch Sellners Kontakte zu gewaltbereiten Rechtsterroristen waren ausschlaggebend.
Marko Kovic kritisiert Aktion der Polizei
Der Österreicher schlachtete seine Abführung medienwirksam aus, grinste gar auf Fotos.
Auf X sprach der Rechtsextremist, der 2006 Hakenkreuze auf eine Synagoge klebte, von einer «Schande für die Schweizer Demokratie». Sogar Multimilliardär und X-Chef Elon Musk schaltete sich ein und fragte: «Ist das legal?»
Sozialwissenschaftler Marko Kovic, der unter anderem zu Radikalisierung und Extremismus forscht, findet: Die Polizei hat mit ihrem Verhalten Martin Sellner einen Bärendienst erwiesen.
Auf X spricht Kovic von einem «Mega-Propaganda-Erfolg der rechtsextremen Szene». Polizei und Medien seien in die Falle getappt.
Seine Begründung: Die Selbstinszenierung als Opfer von angeblicher Unterdrückung und Zensur gehöre zur Strategie von Rechtsextremen. Genauso wie die rhetorische Beschönigung rechtsextremer Ideologie. Der Ösi-Nazi wollte am Samstagabend ein Referat zu «Remigration» halten.
Martin Sellner schlachtete Abführung für Propaganda aus
Kovic sagt dazu: «Kein normaler Mensch will etwas mit Kampfstiefel-Neonazis und ihrer aggressiven Hassideologie zu tun haben.»
Sellner präsentiere sich hingegen als «sympathischer Underdog», der sich sorgfältig ausdrücke, dem Mainstream trotze und nur seine Meinung sagen wolle.
«Aus einem Referat in der Pampa wurde ein internationales Ereignis: Ein besorgter Konservativer wird von der Staatsgewalt unterdrückt. Bloss, weil er eine kritische Meinung zu Migration hat.»
Besser gehe Propaganda nicht, so Kovic.
Statt Abklemmen brauche es «mehr Gegenrede und alternative weltanschauliche Angebote» gegen Rechtsextremismus, rät der Sozialwissenschaftler.
Zwar brauche es weiterhin rechtsstaatliche rote Linien. «Aber wir müssen schlechten Ideen stärker mit guten begegnen. Und lernen, nicht auf rechtsextreme PR-Provokationen hereinzufallen.»
Rechtsexperte verteidigt Abführung von Martin Sellner
Rechtsexperte Patrice Martin Zumsteg verteidigte gegenüber SRF hingegen das Vorgehen der Polizei.
Angesichts der Rechtsextremisten und Gegendemonstranten, wovon einige polizeibekannt und gewalttätig seien, sei es zulässig, dagegen polizeilich vorzugehen. «Solange dies verhältnismässig geschieht.»
Grundsätzlich schütze die Meinungsfreiheit auch «provozierende, schockierende Aussagen» wie jene der rechtsextremen Gruppierung «Junge Tat». Darunter falle auch die Aussage, dass alle Ausländerinnen und Ausländer das Land wieder verlassen müssten.
Aber: «Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte macht eine Ausnahme dort, wo es um die Verharmlosung der Naziverbrechen geht.»
Auch der Gemeinderat von Tegerfelden AG, wo die Festnahme geschah, nimmt gegenüber Nau.ch Stellung: «Der Gemeinderat von Tegerfelden möchte klarstellen, dass er sich gegenüber allen extremistischen Anlässen entschieden distanziert. In Tegerfelden sind keine extremistischen Orientierungen bekannt.»
Und weiter: «Wir setzen uns weiterhin für ein friedliches und respektvolles Miteinander in unserer Gemeinde ein.»