Missstände: Personal von Genfer Autisten-Heim ungenügend ausgebildet
Nachdem Missstände in einem Sonderschulheim für autistische Jugendliche offengelegt worden sind, soll dieses an eine private Einrichtung angegliedert werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Sommer 2018 wurde ein Genfer Sonderschulheim für autistische Jugendliche eröffnet.
- Laut Experten-Bericht sei bereits dann das Betreuer-Team ungenügend ausgebildet gewesen.
- Das Heim soll nun an eine subventionierte private Einrichtung angegliedert werden.
Die Missstände in einem Genfer Sonderschulheim für autistische Jugendliche haben laut einem Expertenbericht früh begonnen. Dies bereits mit der überstürzten Eröffnung der Institution im Sommer 2018. Das Betreuer-Team war von Anfang an unterbesetzt und unangemessen ausgebildet.
Das Personal sei nicht spezifisch geschult gewesen, um autistische Jugendliche zu betreuen. Dies sagte Francine Teylouni, ehemalige Generaldirektorin des Kinder- und Jugendamts.
So habe es im Heim Mancy in Collonge-Bellerive kaum geplante Aktivitäten gegeben. Auch eine Tagesstruktur sei nicht vorhanden gewesen. Etwas, das für Autisten besonders wichtig sei.
Mangelhafte interne Kommunikation
Auch hatte der Direktor keinerlei Erfahrung mit der Leitung eines solchen Heims. Er sah sich von Anfang an mit einer sehr hohen Personalfluktuation konfrontiert. Pierre-Alain Dard, Berater für Jugendjustiz und Co-Autor des Berichts, strich heraus, dass das Heim nicht über geeignete Räumlichkeiten verfügte.
Zudem kritisierten die Experten die mangelhafte interne Kommunikation unter den Mitarbeitenden und den Vorgesetzten. Auch seien schwerwiegende Vorfälle nicht den zuständigen Stellen gemeldet worden. Diese seien von der Heimleitung oder der Leitung des medizinisch-pädagogischen Amtes verharmlost worden.
Zusammenfassend kamen die Experten zum Schluss, dass ein Versagen des Systems zu den Missständen im Heim geführt haben. Es wurden nicht die Fehler einzelner Personen dafür verantwortlich gemacht.
Die Vorsteherin des Genfer Erziehungsdepartements Anne Emery-Torracinta (SP) räumte ein Versagen des Staates ein. Sie wehrte sich vor den Medien jedoch vehement dagegen, persönlich Fehler begangen zu haben.
Jugendliche sollen nun individuell betreut werden
Kritiker bemängeln, die Staatsrätin sei in dem Fall untätig geblieben oder habe nicht schnell genug reagiert. Dazu sagte Emery-Torracinta, sie habe zu jedem Zeitpunkt gemäss den Informationen gehandelt, die ihr zur Verfügung gestanden hätten.
Die Experten empfehlen nun, dass das Heim an eine subventionierte private Einrichtung mit kleineren Strukturen angegliedert wird. Die Jugendlichen, von denen einige nicht sprechen können, sollten individuell betreut werden, schlagen sie vor.
Vor einem knappen Monat wurden drei Mitarbeiter festgenommen, weil sie einer Bewohnerin mutmasslich nicht verschriebene Medikamente verabreicht hatten. Auch sonst wiegen die Vorwürfe gegen die Betreuer schwer: Kinder und Jugendliche seien eingesperrt oder auf den Boden geworfen worden. Zudem seien sie in ihren Exkrementen zurückgelassen oder an ihren Kleidern von einem Raum in den anderen geschleppt worden.