Nemo: Nachbarn kämpfen gegen Gender-Hass
Dass Nemo non-binär ist, schmeckt nicht allen. Selbst aus Nemos Heimat hagelt es nun böse Kommentare. Doch es gibt auch Widerrede.
Das Wichtigste in Kürze
- Nemo hat den Eurovision Song Contest für die Schweiz gewonnen.
- Dafür wird das non-binäre Musiktalent gefeiert. Aber nicht nur.
- Eine Facebook-Gruppe schiebt dem Gender-Hass nun den Riegel.
Mit einem bombastischen Auftritt hat Nemo den Eurovision Song Contest in die Schweiz geholt. Zum ersten Mal seit 36 Jahren. Doch nicht von allen erklingt ein «Whoa-oh-oh».
Ausgerechnet in der Heimat des Musiktalents stösst Nemo (aufgewachsen in Biel BE) auf Hass. Genauer gesagt auf Gender-Hass.
Auslöser: Nemo ist non-binär, definiert ist also weder als Mann noch als Frau, und erregt mit einem schrillen Auftreten Aufsehen. Das scheint einige zu Hassnachrichten anzustacheln.
In der Facebook-Gruppe «Du bisch vom Seeland» hagelt es böse Kommentare. Jetzt greift Christian Riesen, Administrator und Gründer der Gruppe mit knapp 23'000 Mitgliedern, durch.
«Politik, Werbung und vor allem Boshaftigkeiten wollen wir nicht», schreibt er. «Wir üben uns seit Jahren nach dem Motto ‹Leben und leben lassen›. Oder: ‹Wenn man nichts Gutes über jemanden sagen kann, sollte man lieber schweigen.›»
In diesem Sinne gönne man Nemo den Sieg «ohne Wenn und Aber». Die Politik lasse man lieber aussen vor. «Deswegen löschen wir konsequent alle politischen sowie bösen Kommentare.»
Nemo provoziert mit politischen Äusserungen
Gegenüber Nau.ch wiederholt Riesen, dass in der Facebook-Gruppe keine Politik zugelassen werde. «Die Schwierigkeit ist natürlich, dass Nemo einerseits einen Song-Contest gewonnen hat und selbst Politik macht. Sei es mit der Flagge oder mit seinen direkten politischen Forderungen.»
Damit meint der Facebook-Administrator Nemos Appell an die Politik, neben «männlich» und «weiblich» einen dritten Geschlechtseintrag zu ermöglichen.
«Das polarisiert verständlicherweise», sagt er. «So sind auch die Boshaftigkeiten erklärbar.»
Entsprechend «viele Posts» seien deshalb gelöscht worden. «Anzahl unbekannt, aber eben überdurchschnittlich extrem viele.» Doch: Der Aufruf habe aber Wirkung gezeigt. Danach hätten nur noch vereinzelt Posts gelöscht werden müssen.
Seeländer stärken Nemo nach Gender-Hass den Rücken
Dass Nemos Erfolg im Seeland nicht gegönnt werde, stellt Christian Riesen in Abrede. «Grossmehrheitlich gönnt man dem schrägen Paradiesvogel den Sieg. Obwohl viele mit seinen politischen Forderungen (mich eingeschlossen) nicht einverstanden sind.»
Und auch in der Facebook-Gruppe «Du bisch vom Seeland» zeigt sich: Nach dem Anti-Hass-Aufruf erhält Nemo viel Zuspruch. «Es ist beschämend, welche niederträchtigen Bemerkungen zum Sieg von Nemo im Umlauf sind!», heisst es zum Beispiel.
Ein zweiter User schreibt: «Meinen Musikgeschmack trifft es gar nicht. Das spielt aber keine Rolle und ist absolut nicht der Rede wert. Schlimmer finde ich wirklich, wie sich der niedrige Bildungsstand von leider vielen Leuten in dermassen unverständnisvollen Kommentaren widerspiegelt.»
Und auch am Wochenende, als Nemo den Code geknackt hat, war in Nemos Heimat Biel keine Gehässigkeit zu spüren.
Hunderte fieberten gespannt beim Public Viewing mit, die ganze Nacht lang wurde ausgiebig gefeiert. Die Bieler Kulturdirektorin Glenda Gonzalez Bassi sagte: «Wir sind sehr stolz auf Nemo.»