Nescafé wird 80: Der lösliche Pulver-Kaffee wurde beinahe zum Brühwürfel
Vor 80 Jahren kam der erste Nescafé auf den Markt. Es ist bis heute ein Milliardenbringer für den Schweizer Lebensmittelkonzern. Ein kauziger Chemiker hat das Verfahren einst am Küchentisch ausgetüftelt.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor 80 Jahren wurde Nescafé erfunden.
- Der Kultkaffee ist bis heute eines von Nestlés umsatzstärksten Produkten.
Brasilien sass in der Zeit auf einem riesigen Kaffeeberg und fragte Nestlé an, ob sie nicht helfen könnten, den Kaffeekonsum anzukurbeln. Es gab schon seit Jahrzehnten löslichen Kaffee, etwa in den USA, aber an den echten Bohnenkaffeegeschmack kam niemand heran. Das Problem: Man konnte die flüchtigen Kaffeearomen nicht konservieren.
Morgenthaler testet monatelang
Selbsternannte Kaffee-Feinschmecker tun heute das Granulat gern abfällig als Campingbegleiter am kulinarischen Abgrund ab. Dem Siegeszug des löslichen Kaffees tut das jedoch keinen Abbruch. Gerade in Asien zieht das Geschäft mächtig an.
Wie viele Tassen der Chemiker Max Morgenthaler bei seinen Tüfteleien probieren musste, ist unklar. 1929 sollte er für die Schweizer Firma Nestlé Kaffeepulver herstellen, mit dem vollen Geschmack der Kaffeebohne, aber haltbar und jederzeit einfach mit heissem Wasser anzurühren.
Das Produkt, das dabei entstand, ist heute weltbekannt: In jeder Sekunde werden auf der Welt mehr als 5500 Tassen Nescafé getrunken, sagt Nestlé – also 330'000 pro Minute und 19,8 Millionen pro Stunde. Vor 80 Jahren, am 1. April 1938, führte die Firma das neue Produkt auf dem Schweizer Markt ein.
Wertvollste Marke der Schweiz
Ein Riesenerfolg: Für das Unternehmen war es «eines der hübschesten Babys, die Nestlé auf die Welt gebracht hat», wie die Direktion bald frohlockte. Das gilt bis heute. Nestlé nennt selbst den Umsatz nicht, aber der Branchendienst Interbrand schätzt den Wert der Marke auf mehr als 12,5 Milliarden Franken im Jahr.
Die Anfänge waren mühsam. Nestlé stellte in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts Kondensmilch, auch mit Kaffeegeschmack und Kindernahrungspulver, her. Die Firma wollte schauen, wofür sich der Stolz des Labors, der Pulverisierungsapparat «Egron», noch eignete, wie Unternehmenshistoriker Albert Pfiffner in einer Firmenchronik schreibt.
Morgenthaler tüftelte und trank, doch ohne Erfolg – Nestlé stoppte das Projekt. Doch Morgenthaler machte am heimischen Küchentisch weiter. Bis er entdeckte, dass Kohlenhydrate Aroma binden. Er entwickelte ein geruchloses Pulver, welches das Aroma erst beim Aufgiessen mit Wasser freigab und fügte es seinem Kaffee-Extrakt hinzu. Endlich hatte er den echten Kaffeegeschmack.
Nestlé pries sein neues Produkt als «Blitzkaffee» an und wurde vom Erfolg überrascht. Innerhalb von zwei Monaten sei die geplante Jahresproduktion verkauft gewesen, sagt Pfiffner. US-Soldaten hatten den Kaffee im 2. Weltkrieg im Gepäck, er kam in die CARE-Pakete, mit denen Amerikaner nach Kriegsende notleidende Europäer versorgten.