Neue Kantonsverfassung führt im Wallis zur Zerreissprobe

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Sion,

Wallis entscheidet über eine neue Verfassung: Die Änderungen im Wahlsystem lösen Besorgnis bei der deutschsprachigen Minderheit im Oberwallis aus.

Walliserfahne Matterhorn
Die neue Kantonsverfassung im Wallis enthält mehrere Änderungen auf politischer Ebene. (Symbolbild) - keystone

Das Wallis entscheidet am 3. März darüber, ob es sich eine neue Verfassung geben will. Änderungen im Wahlsystem wecken Ängste bei der deutschsprachigen Minderheit im Oberwallis. Bei der zweiten Vorlage geht es um eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten.

Die neue Kantonsverfassung enthält mehrere Änderungen auf politischer Ebene. Neu soll die Kantonsregierung aus sieben statt nur fünf Mitgliedern bestehen, wobei dem Ober-, Mittel- und Unterwallis je ein Sitz garantiert werden soll.

Bei Annahme der neuen Verfassung werden die Sitze im Grossen Rat nach der Wohnbevölkerung, einschliesslich der Ausländer, verteilt. Dieser neue Schlüssel wird von einer Übergangsbestimmung begleitet, um zu verhindern, dass das Oberwallis auf einen Schlag zu viele Sitze verliert. Damit wird berücksichtigt, dass das Oberwallis weniger Ausländer zählt und die Bevölkerung (rund 25 Prozent) langsamer wächst als im Mittel- und Unterwallis.

Der Kanton wird zudem in sechs Regionen aufgeteilt, die um die Städte Brig, Visp, Siders, Sitten, Martigny und Monthey herum gebildet werden. Damit fallen die bisherigen dreizehn Bezirke weg. Trotzdem behält das Wallis seine Flagge mit den dreizehn Sternen, welche die dreizehn bisherigen Bezirke symbolisieren.

Zerreissprobe für die kantonale Einheit

Die Mitte und die SVP des Oberwallis lehnen die Änderungen im Wahlsystem rundweg ab. Das Nein-Lager befürchtet nicht nur eine Schwächung des Oberwallis als sprachliche und kulturelle Minderheit, sondern auch eine Zerreissprobe für die kantonale Einheit.

Die Vertreter der deutschsprachigen Minderheit hätten insbesondere eine Garantie für zwei Sitze im siebenköpfigen Staatsrat gewünscht. Ausserdem forderten sie eine schriftliche Zusicherung, dass ihnen einer der beiden Sitze im Ständerat zusteht.

Die Mehrheit des Verfassungsrates war hingegen der Ansicht, dass «jede Stimme im Kanton gleich viel zählen muss». Sie erinnerte daran, dass die Sprachminderheiten auf Bundesebene überhaupt keine Sitzgarantie haben.

Die SP, die FDP, die Grünen und ein Teil der Mitte des französischsprachigen Wallis unterstützen die neue Verfassung, die «es dem Wallis ermöglichen soll, die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzunehmen». Das Ja-Komitee begrüsst insbesondere die Verankerung der Rechte von Kindern und Menschen mit Behinderungen und das Recht auf eine gesunde und sichere Umwelt.

Das umstrittene Stimm- und Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer auf Gemeindeebene wird der Bevölkerung als Variante vorgelegt. Damit wollte der Verfassungsrat verhindern, dass die Vorlage allein wegen dieses Punkts Schiffbruch erleidet. Gewonnen ist die Abstimmung aber trotzdem noch nicht.

Geschäfte sollen eine halbe Stunde länger offen sein

Widerstand kommt beispielsweise auch von Seiten der Wirtschaft. So sprechen etwa der Walliser Gewerbeverband und die Walliser Industrie- und Handelskammer von einer «Weihnachtswunschliste», die für die Gemeinden, die Steuerzahler und die Wirtschaft zu teuer sei. Die Kantonsregierung gab keine Abstimmungsempfehlung ab.

Das Walliser Stimmbevölkerung hatte die Volksinitiative für eine Totalrevision der Kantonsverfassung im März 2018 mit fast 73 Prozent Ja-Stimmen angenommen und entschieden, diese Aufgabe einem Verfassungsrat zu übertragen. Dieser arbeitete während vier Jahren am Entwurf der neuen Verfassung, welche diejenige von 1907 ersetzen soll.

Bei der zweiten Vorlage geht es um eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten. Die Mehrheit des Kantonsparlamentes stimmte dieser Änderung des Ladenöffnungsgesetzes deutlich zu. Die Linke ergriff das Referendum dagegen. SP, Grüne und die Gewerkschaften sind der Ansicht, das Gesetz sei nutzlos für die Kundschaft, verschlechtere die Arbeitsbedingungen des Verkaufspersonals und begünstige die grossen Supermärkte auf Kosten der kleineren Läden. Auch die Mitte lehnt das Gesetz ab, die FDP beschloss Stimmfreigabe.

Das revidierte Gesetz sieht vor, dass künftig alle Geschäfte unter der Woche eine halbe Stunde länger offen sein dürfen. Die Ladenschlusszeit würde von 18.30 Uhr auf 19.00 Uhr verschoben.

An Samstagen und Vortagen von Feiertagen soll weiterhin um 17.00 Uhr Schluss sein. In Tourismusregionen sollen die Läden wie bisher an sieben Tagen in der Woche bis 21.00 Uhr geöffnet bleiben dürfen.

Kommentare

User #4348 (nicht angemeldet)

Ein Punkt, vom dem zu selten gesprochen wird, ist vor allem auch die Problematik der Zusammenlegung der Bezirke in sechs Wahlkreise. Nicht nur das Oberwallis an sich verliert Sitze, sondern auch die kleinen Bezirke. Es wird schwierig, dass die Bezirke Goms mit seinen zwei, Östlich Raron mit seinem einen, aber auch das Unterwalliser St. Maurice oder Hérens mit fünf Sitzen im Grossrat diese gegen die grossen Bezirke der Talgemeinden verteidigen können. Damit verlieren diese kleinen Bezirke ihre Stimme im Grossrat. Die Verfassung hat einige zu lobende Punkte, doch die Kosten dieser sind nicht nur hohe Geldsummen, sondern der Verlust von Autonomie für das gesammte Oberwallis sowohl der Bergregionen. Meine Stimme steht schon, und die lautet Nein. Dem Oberwallis, den Bergbezirken und der kantonalen Einheit zu liebe. Spätestens bei einer Annahme wird es klar - und ich vermute, wir werden den Röstigraben klar erkennen, und damit stünde die Grundlage für zwei Halbkantone. Lasst es nicht soweit kommen! Lasst das Wallis nicht zum zweiten Jura werden!

...da war doch noch was 🤔

Da ist ein grosses langwieriges "Gschtürm" vorprogrammiert. Vor und vor allem nach der Abstimmung. Letztendlich geht es um das Umverteilen der Aufwendungen/Einnahmen in den neuen Bezirken. Denke an den Kanton Jura... Endlose Debatten. Arme Walliser 🫣

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