Neuenburg präzisiert Bettelverbot nach EMGR-Urteil
Im Kanton Neuenburg soll Betteln erst juristisch verfolgt werden, wenn es zu Gewohnheit wird. Gelegentliches Betteln in Notfällen ist erlaubt.
Das Wichtigste in Kürze
- In Neuenburg hat die Staatsanwaltschaft das Bettelverbot präzsisiert.
- Dies geschah in Reaktion auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
Die Neuenburger Staatsanwaltschaft hat die entsprechende Verordnung präzisiert, um einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Rechnung zu tragen. Der Neuenburger Staatsanwalt Pierre Aubert bestätigte am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA einen Bericht der Westschweizer Zeitung «Arcinfo».
Der entsprechende Gesetzestext sei bereits im Februar mit dem Zusatz «gewohnheitsmässiges Betteln» ergänzt worden.
Geldstrafe bleibt gleich
Bislang war die Verordnung nur allgemein unter dem Begriff «Betteln» zusammengefasst. Die angepasste Formulierung biete weniger Anlass zu Fehlinterpretationen seitens der Polizei, sagte Aubert.
Die Geldstrafe bleibt bei 200 Franken. Wer andere Menschen, Abhängige oder Minderjährige, zum Betteln anstiftet, kann mit 500 Franken bestraft werden.
Der EMGR hatte die Schweiz im Januar wegen einer unverhältnismässigen Bestrafung einer rumänischen Bettlerin in Genf verurteilt. Die 22-jährige Frau aus sehr armen Verhältnissen wurde 2014 von den Genfer Justizbehörden mit einer Busse von 500 Franken belegt. Weil sie die Busse nicht bezahlen konnte, musste sie als Ersatzstrafe fünf Tage ins Gefängnis.
Innerhalb von drei Jahren wurden der jungen Frau neun Verstösse gegen das Genfer Bettelverbot vorgeworfen. Mit dem erbettelten Geld deckte sie die wichtigsten Lebensbedürfnisse.
Auch andere Kantone passen Gesetz an
Der Gerichtshof kam zum Schluss, dass die Schweiz mit dieser Sanktion gegen den Kerngehalt des Rechts auf Achtung des Privatlebens verstossen habe. Eine solche Massnahme muss laut EGMR durch ein grundlegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein, was vorliegend nicht der Fall sei.
Das Urteil des Menschenrechtsgerichts hat dazu geführt, dass auch andere Kantone über die Bücher gehen. Im Kanton Basel-Stadt hatte dass Kantonsparlament im vergangenen Oktober die Rückkehr zu einem generellen Bettelverbot beschlossen.
Die Regierung gelangte im Januar zur Ansicht, dass sich ein pauschales Verbot nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbaren lasse. Sie prüft nun rechtlich zulässige Alternativen. Dem Grossen Rat wurde ein Zwischenbericht in Aussicht gestellt.