Nicht mehr Top Ten: Darum werden Schweizer immer unglücklicher
Die Schweiz stürzt in Sachen Glücklichkeit auf Platz 13 ab. Glücks-Forscher Mathias Binswanger meint bei Nau.ch: «Die Schweiz stand jahrelang zu gut da.»

Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz ist im «World Happiness Report» erneut abgerutscht.
- Glücklichkeits-Forscher Mathias Binswanger schätzt das Resultat für Nau.ch ein.
- «In einem Land wie der Schweiz ist das Einkommen nicht mehr der Pass zum Glück.»
- Andererseits relativiert Binswanger: Die Schweiz sei wohl jahrelang zu gut weggekommen.
Finnland bleibt das Land mit den glücklichsten Menschen der Welt. Dahinter folgen Dänemark, Island und Schweden. Costa Rica und Mexiko haben es erstmals in die Top Ten geschafft.
Der «World Happiness Report» beschäftigt sich unter anderem mit der Frage: Wo auf der Welt sind die Menschen ganz besonders zufrieden mit ihrem Leben?
Die Schweiz verliert im Glücksranking an Boden, liegt nur noch Platz 13. Damit fliegen wir erstmals überhaupt aus den Top Ten.

2012 wurde die Rangliste eingeführt. Die Schweiz war häufig auf dem Podest zu finden. 2015 waren wir gar das glücklichste Land der Welt. Zuletzt geht es aber steil bergab.
2021 war die Schweiz noch auf Rang vier zu finden, dann auf acht, neun. Und nun der Absturz auf Platz 13.
Warum werden wir immer unglücklicher?
Glücks-Forscher: «Die Schweiz kam jahrelang zu gut weg»
Mathias Binswanger, Ökonom und Glücks-Forscher, relativiert bei Nau.ch: «Es gibt immer wieder Verschiebungen.»
Und fügt an: «Man kann davon ausgehen, dass die Schweiz jahrelang zu gut bewertet war.»

Denn: «Wenn man Menschen hier nach ihrem Glück fragt, dann kommen meistens nicht so gute Antworten. Das Glas ist oft zu einem Zehntel leer, statt zu neun Zehntel voll. Sätze wie ‹So kann es nicht weitergehen›, hört man in der Schweiz nicht selten.»
Die Romands sind weniger glücklich als Deutschschweizer
Es komme aber auch immer darauf an, wen man fragt. Unterschiede gibts nämlich auch innerhalb der Landesgrenzen. Beim Rösti-Graben und am Gotthard.

«Deutschschweizer sind glücklicher als Westschweizer und Tessiner. Das liegt aber auch daran, dass deren Kultur von Frankreich und Italien beeinflusst ist. Es herrscht eher die Mentalität, sich zu beklagen.»
Frankreich (33) und Italien (40) landen im Ranking jeweils weit hinten.
Das kann die Schweiz von Finnland und Costa Rica lernen
Serien-Sieger im Glücks-Ranking sind jeweils die skandinavischen Länder, Finnland holt erneut Gold. Was machen die Finnen, dass sie glücklicher sind als wir Schweizer?
Ein Grund, so Binswanger: «Nordische Länder sind homogene Länder, das Einkommen ist gut verteilt. Es verdienen also nicht wenige sehr viel und viele sehr wenig. Alle partizipieren am Wohlstand. Das führt regelmässig zu hohen Werten.»
Neu mit dabei in den Top Ten der Glücklichsten sind auch Mexiko und Costa Rica. Hier spielt auch die Latin-Happiness mit.
«Lateinamerikanische Länder sind mit gleichem Einkommen viel glücklicher als osteuropäische Länder. Das Klima ist angenehmer. Aber es herrscht auch eine Lebensfreude, wie sie etwa in osteuropäischen Ländern nicht ausgeprägt ist.»
Auch Donald Trump hat einen Einfluss
Im World Happiness Report wird die Schweiz mehrere Male genannt. Zum Beispiel im Bezug auf die Politik.
Im letzten Jahrzehnt hätten westliche Länder eine Flut systemfeindlicher politischer Erfolge erlebt. Vom Brexit 2015 bis hin zur Wahl Donald Trumps 2024.

«In diesem Zeitraum wuchs der Unmut über ‹das System› in den meisten europäischen Ländern», heisst es im Bericht. Auch in der Schweiz.
Schweizer leben immer öfters allein
Ebenfalls auffallend: Nirgends auf der Welt gibt es anteilsmässig mehr Einpersonenhaushalte (38 Prozent) als in der Schweiz. Und der Anteil nimmt immer weiter zu.
Allerdings ist dieser Fakt mit Vorsicht zu geniessen, sagt Binswanger. Allein leben heisst nicht automatisch, unglücklich zu sein.
«Auf der anderen Seite bedeutet es auch einfach Wohlstand. In Italien sind viele zum Beispiel unglücklich, weil sie diese Möglichkeit nicht haben.»
Was Binswanger aber unterstreicht, ist: «In einem Land wie der Schweiz ist nicht mehr das Einkommen der Pass zum Glück. Das Sozialleben spielt eine entscheidende Rolle. Einsamkeit bedroht das Glück mehr als das Einkommen.»
Der Zusammenhalt bröckelt
Insgesamt zeigt sich im Bericht: Westliche Industrieländer sind heute weniger zufrieden als zwischen 2005 und 2010.
Fünfzehn davon verzeichneten Glücklichkeits-Rückgänge, nur vier Zuwächse. Die Schweiz, Kanada und die USA gehören zu den grössten Verlierern.
Bei den USA, die auch das schlechteste Ergebnis aller Zeiten einfahren, gibt es einen weiteren Grund für den Absturz: Die Amis würden immer mehr allein essen, so die Autoren. Das habe einen negativen Einfluss auf die soziale Interaktion.
Wir sind glücklicher als Österreicher und Deutsche
Der Bericht basiert auf Daten von Menschen in über 140 Ländern. In der Umfrage wird jeder Teilnehmer gebeten, sein Leben als Ganzes zu bewerten.
Anschliessend wird anhand von sechs Variablen eine Rangliste erstellt: Einkommen/BIP pro Kopf, soziale Unterstützung, gesunde Lebenserwartung, Freiheit, Grosszügigkeit und Korruptionswahrnehmung/Vertrauen.
Trotz Absturz auf Rang 13 im Glücklichkeits-Ranking: Die Schweiz ist noch immer das zufriedenste deutschsprachige Land, vor Österreich (17) und Deutschland (22).
Den letzten Platz belegt erneut Afghanistan (147). Gefolgt von Sierra Leone, Libanon, Malawi und Simbabwe.