Mobbing und Belästigung: Der Einstieg in die Arbeitswelt ist für viele junge Menschen von negativen Erfahrungen geprägt. Oft geht es um Machtspiele.
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Die Lehre ist keine einfache Zeit. Immer wieder kommt es vor, dass Lernende Opfer von Machtspielen werden. (Symbolbild) - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Lernende werden während der Ausbildung Opfer von Mobbing oder Belästigung.
  • Sie stehen in der Job-Hierarchie zuunterst – einige Vorgesetzte missbrauchen ihre Macht.
  • Sie lassen ihren privaten oder beruflichen Frust an den Lernenden aus.
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Wer direkt nach der Schule eine Lehre begonnen hat, kennt ihn: Den Sprung ins kalte Wasser – oder eben ins Berufsleben. Keine einfache Zeit, schliesslich müssen die Jugendlichen einen Job von Grund auf lernen. Und vielen wird der Berufseinstieg zusätzlich von Mitarbeitenden, die ihren Frust an ihnen auslassen, erschwert.

Aktuelle Zahlen der Gewerkschaft Unia zeigen, dass ein Drittel der Lernenden im Beruf schon Mobbing erfahren hat. Fast 36 Prozent wurden sexuell belästigt, 35 Prozent haben Rassismus erlebt.

Wie hast du deine ersten Jahre im Berufsleben in Erinnerung?

Auch die Fachstelle Mobbing und Belästigung in Zürich kennt das Problem, wie Inhaberin Claudia Stam zu Nau.ch sagt. «Wir haben immer wieder Fälle von Lernenden und Praktikantinnen und Praktikanten, die von Machtmissbrauch oder Belästigung betroffen sind.»

Ob sie statistisch gesehen gefährdeter seien als andere Gruppen, ist unklar – dazu habe sie keine Zahlen. «Ich kann es mir jedoch gut vorstellen.»

Chef in seinen 50ern will Date mit Lehrtochter (17)

Die Beispiele, die Nau.ch bekannt sind, sind zahlreich. Da gibt es etwa den Lehrling, der von der Chefin geschickt wird, um «Ibidum» gegen ihre Kopfschmerzen zu holen. In der Apotheke wird ihm natürlich gesagt, das gebe es nicht.

Als er zurückkommt, wird er schallend ausgelacht. Der Witz: Ibidum ist kein Medikament, sondern heisst einfach «ich bin dumm». Oder die Lehrtochter, der vorgeworfen wird, sie hätte aus der Kasse geklaut – ohne irgendwelche Beweise.

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Viele Schweizerinnen und Schweizer erleben in der Ausbildung Machtmissbrauch. (Symbolbild)
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Dabei: Eigentlich haben Jugendliche bei ihrem Start ins Berufsleben «Anspruch auf besonderen Schutz». (Symbolbild)
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Bei Pro Juventute heisst es: «Die Jugend und der Übertritt von der Schule ins Berufsleben ist eine sehr vulnerable Zeit mit vielen Veränderungen.» (Archivbild)
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Die damals 17-jährige Bettina Hempfer* wurde von ihrem rund 50-jährigen Chef gar um ein Date gebeten. «Er wartete, bis ich alleine im Büro war», erinnert sie sich. «Dann kam er zu mir, kniete sich neben den Bürostuhl und zeigte mir Fotos von seinem Cabriolet.»

So weit, so gut. Doch dann meint er: «Mit dem können wir mal zusammen einen Coupe essen gehen.» Er habe ihr zugezwinkert – und sie habe das Gespräch zurück auf die Arbeit gelenkt. «Mir war das extrem unangenehm», erzählt sie.

Erwachsener zeigt Lernender Penis-Bild

Doch die Belästigung geht weiter: «Einmal, als ich gerade etwas ausdruckte, kam er von hinten und umarmte mich einfach», erzählt sie. «Ich konnte gar nicht glauben, was da gerade passiert. Instinktiv habe ich ihn mit aller Kraft abgeschüttelt und bin in meinem Büro verschwunden.»

Eine damals ebenfalls minderjährige Berufsschulkollegin von Hempfer erlebt noch Schlimmeres: Als sie während der Arbeit allein mit einem erwachsenen Mitarbeiter ist, zeigt er ihr Bilder von seinem Penis. Sie traut sich nicht, ihn zu verpfeifen.

Lernende bekommen privaten und beruflichen Frust ab

Eigentlich haben Jugendliche bei ihrem Start ins Berufsleben «Anspruch auf besonderen Schutz», sagt Anja Meier von der Jugendschutzorganisation Pro Juventute. Sie betont: «Die Jugend und der Übertritt von der Schule ins Berufsleben ist eine sehr vulnerable Zeit mit vielen Veränderungen.»

Die Erwachsenen, die für die Ausbildung zuständig sind, hätten die Verantwortung. «Sie müssen wirksam vor Machtmissbrauch und vor Verletzungen ihrer Rechte zu schützen.» Warum werden Lernende trotzdem so oft schlecht behandelt?

Verhältst du dich während der Arbeit stets professionell?

Psychologin Claudia Stam kann nur spekulieren, wie sie zu Nau.ch sagt. «Ich denke, es kann neben privatem auch beruflicher Frust sein, der an den Lernenden ausgelassen wird.» Oft werde die Macht missbraucht, die Erwachsene gegenüber ihren jungen Mitarbeitenden haben.

Manchmal seien es aber einfach auch Verhaltensweisen, die von den heutigen Jungen nicht mehr einfach so geduldet werden. «Zum Beispiel sexistische Sprüche, indiskrete Fragen, einen autoritären Führungsstil, und so weiter.»

Dass es im Job zu Generationenkonflikten kommen kann, ist bekannt. Einige Firmen schicken ihre älteren Angestellten deshalb sogar in einen Kurs, um die Generation Z besser zu verstehen.

Aufruf

Hast du in deiner Lehre eine negative Erfahrung gemacht, die du teilen willst? Melde dich unter redaktion@nau.ch

*Name von der Redaktion geändert

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