Pierin Vincenz: Staatsanwalt schiesst gegen Stripclub-Tour
Tag 2 des Monsterprozesses gegen Pierin Vincenz ist zu Ende. Sowohl der Ex-Banker als auch sein Kollege Stocker weisen jegliche Schuld von sich.
Das Wichtigste in Kürze
- Heute geht der Monsterprozess gegen Pierin Vincenz in den zweiten Tag.
- An Tag 1 hat der Ex-Banker die Vorwürfe abgestritten.
- Eine Verschiebung des Prozesses wurde vom Gericht abgelehnt.
Der zweite Prozesstag rund um den ehemaligen Raiffeisenchef Pierin Vincenz ist zu Ende. Nachdem der Hauptbeschuldigte bereits am Dienstag zu dem Fall befragt wurde, kamen heute Mittwoch sein Geschäftskollege Beat Stocker und weitere Mitangeklagte an die Reihen. Sie alle – inklusive Vincenz – weisen jegliche Schuld von sich.
Gegenüber Nau.ch sagte Stocker: «Die Richter müssen jetzt herausfinden was wahr und was Meinung ist.» Und diese scheinen sich gegen die Angeklagten zu stellen. Das erste Plädoyer der Staatsanwaltschaft kritisierte zumindest Vincenz’ Stripclub-Besuche scharf. Von einer «Tour de Suisse durchs Rotlichtmillieu» war die Rede. Auch weitere Anklagepunkte wie angebliche Firmenreisen für mehrere tausend Franken und eingesteckte Provisionen beanstandet die Staatsanwaltschaft.
Der nächste Prozesstag beginnt bereits morgen Donnerstag, erneut um 8.15 Uhr. Dann geht es mit den Plädoyers weiter.
Das war der zweite Prozesstag
18.22: Das Plädoyer brachte bereits zahlreiche entscheidende Punkte auf. Nun folgt der Nächste. Wie «watson» berichtet, legt der Staatsanwalt ein Beweismittel vor. Konkret geht es um eine Mail von Beat Stocker zur Commtrain-Übernahme.
Darin soll stehen: «Wir müssen so oder so die Spuren verwischen». Das «wir» bezieht sich laut Jean-Richard auf Vincenz.
17.12: Jean-Richard-dit-Bressel erklärt, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, dass seine Anklage auf dem Bundesgerichtsurteil (BGE) zu den sogenannten Retrozessionen beruht.
Zur Erklärung: Rezessionen sind Provisionen, die beispielsweise von einer Bank an einen Vermögensverwalter fliessen, da er Produkte der Bank an seinen Kunden verkauft. Entsprechend hat der Vermögensverwalter auch eine Vermögensfürsorgepflicht.
Für den aktuell Fall bedeutet dies, dass Vincenz und Stocker ihre Provisionen durch die Verkäufe von Commtrain, Genève Credit Leasing (GCL), Investnet oder Eurokaution an die Raiffeisen und Aduno (heute Viseca) hätten übergeben müssen.
16.39: In der Mittagspause hat der Mitangeklagte Stocker über den Einfluss der Medien gesprochen: «Ich habe respekt davor. Sehr viele Personen haben schon sehr viele Meinungen.»
Es gelte Vorsicht walten zu lassen, so Stocker: «Die Richter müssen jetzt herausfinden was wahr und was Meinung ist.»
16.38: Die nächste Station der Staatsanwaltschaft sind die Unternehmenstransaktionen. Hier betont Marc Jean-Richard-dit-Bressel, der das Wort wieder übernommen hat, die Tatsache, dass sowohl Vincenz als auch Stocker private Anteile an verschiedenen Firmen gehabt hätten, die letztlich dann durch Aduno (heute Viseca) oder Raiffeisen übernommen wurden.
Auf diese Weisen hätten die beiden Geschäftsmänner Millionen verdient, betont der Staatsanwalt laut dem «Blick». Dabei geht es nochmals auf die einzelnen Details der Transaktionen ein.
15.51: Nicht nur die Stripclub-Besuche kritisiert die Staatsanwaltschaft, sondern auch die angeblichen Firmenreisen. Eine Reise nach Dubai beispielsweise habe 95'000 Franken gekostet. Das sei Jenseits von Gut und Böse, zitiert der «Tages-Anzeiger» einen weiteren Staatsanwaltschaft namens Candrian. Und weiter: «Eine Luxusreise hatte die Bank auf keinen Fall zu zahlen.»
Candrian rügt auch Vincenz' Verhalten, nachdem die Kosten für das zerstörte Hotelzimmer im Park Hyatt seiner Geschäftskarte belastet wurde. Statt es zu melden, habe er die Belege mit dem Vermerk «Übernachtung» ausgestattet. Falsch, findet der Staatsanwaltschaft.
15.06: Die Mittagspause ist vorbei und alle Angeklagten befinden sich zurück im Gerichtssaal. Gleich zu Beginn ergreift Richter Aeppli das Wort. Er weist sämtliche Beweiseingaben von heute Morgen ab, wie «Blick» schreibt.
Damit geht der Prozess in die nächste Runde – und zwar folgen nun die Plädoyers. Den Auftakt macht Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel. Er kommt gleich auf die ausgiebigen Rotlicht-Besuche von Pierin Vincenz zu sprechen.
«Es gelüstete ihn persönlich, sich den dortigen Annehmlichkeiten hinzugeben. Die Auslagen zeigen eine Tour de Suisse durchs Rotlichtmillieu», zitiert «Blick» den Staatsanwalt. Die Besuche seien also vielmehr ein persönliches als ein geschäftliches Bedürfnis gewesen.
Mittagspause bis 15 Uhr
11.52: Damit sind die Befragungen aller Anwesenden beendet. Jene des an Corona erkrankten Andreas Etter wird voraussichtlich am 9. Februar nachgeholt.
Nun ist es an den Anwälten weitere Anträge und Beweise vorzulegen, ehe es zu den Plädoyers kommt. Vincenz selbst will sich gegenüber Nau.ch nicht zum aktuellen Prozess äussern.
11.38: Jetzt wird Christoph Richterich befragt. Auch er gibt sich eher bedeckt. Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen beispielsweise wolle er keine machen, wie «watson» schreibt.
Der Basler Unternehmer soll eine Reise von Pierin Vincenz im Jahr 2015 organisiert und selbst an dieser teilgenommen haben. Die Rechnung von rund 100'000 trug die Raiffeisenbank.
Der Basler Unternehmer soll als einziger Angeklagter nicht zu einer Gefängnis-, sondern «nur» zu einer Geldstrafe verurteilt werden. Er plädiert auf unschuldig.
11.18: Der angeklagte Unternehmer zeigt sich wenig kooperativ. Er wolle heute keine Fragen der Staatsanwaltschaft beantworten, wie «Blick» schreibt. Zudem bestreite er die Vorwürfe gegen ihn – «mehr denn je». Er habe Pierin Vincenz vor dem Deal gar nicht gekannt, fügt er hinzu.
«In Genf geniesse ich einen ausgezeichneten Ruf. Ich bin bekannt als integre Person», so der Angeklagte. «Ich bitte das Gericht, meine Unschuld anzuerkennen und meine Ehre reinzuwaschen von den falschen Anschuldigungen der Zürcher Staatsanwaltschaft.»
10.49: Die nächste Befragung hat begonnen. Dieses Mal sitzt ein Geschäftsmann aus einer alteingesessenen Genfer Familie auf der Anklagebank. Eine Dolmetscherin übersetzt die Fragen des Richters.
Der Angeklagte war Mitinhaber der Leasingfirma Genève Crédit & Leasing. Diese wurde an die Aduno-Tochter Cashgate verkauft, wovon Vincenz und Stocker als geheime Aktionäre profitiert haben sollen. Dem 64-Jährigen wird deshalb Gehilfenschaft zu Betrug vorgeworfen. Seine geforderte Strafe: eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren.
Pause bis 10.45 Uhr
10.09: Nun muss sich der Angeklagte Ferdinand Locher den Fragen des Richters stellen. Er war in der Übernahme von Eurokaution durch Aduno (heute Viseca) involviert, ebenso bei der Kaufidee der Arena Thun.
Der Richter will wissen, ob Locher wusste, ob auch Vincenz an der Kaufidee der Arena Thun beteiligt war? Gewusst, wer genau beteiligt ist, habe er nicht. Daraufhin wurde eine E-Mail vorgelesen, wie der «Tages-Anzeiger berichtet. Darin stehe, dass Pierin Vincenz involviert sei, «man dürfe ihn aber nicht hochgehen lassen».
Nun ergänzt Locher seine Aussage: Er habe es nicht genau gewusst, aber er habe es angenommen. Allgemein sei er von der Anklage völlig perplex, schreibt der «Tages-Anzeiger». «Die letzten Jahre waren für mich nicht einfach. Ich bin wegen der Vorwürfe aus 14 Verwaltungsräten ausgetreten.» Der Grund: Er wolle keiner Firma schaden.
Das Gericht legt eine Pause bis 10.45 Uhr ein. Danach beginnt die nächste Befragung.
Befragung von Beat Stocker ist beendet
09.56: Die Anklage spricht die Kaufidee der Arena Thun an. Stocker hätte die Hälfte des Verkaufserlöses bekommen sollen. «Ich hatte nie die Absicht, von Ferdinand Locher (dem Verkäufer, Anm. der Redaktion) eine Kommission zu verlangen», entgegnet der Angeklagte.
Der Co-Richter fragt, ob Stocker dabei ein «Deal-Maker» war? «Nein, ich bin kein Deal-Maker, ich kämpfe für Geschäftsideen. Die will ich vermitteln», schreibt der «Tages-Anzeiger».
Und weiter: «Wenn ich die Anklage lese, wird mir schlecht. Ich habe nie daran gedacht, mich persönlich zu bereichern und andere zu schädigen. Mir sträuben sich alle Haare, wenn ich von mir als Betrüger lese. Das bin ich nicht.» Stockers Befragung ist damit beendet.
09.49: Ein kurzer Blick zu Pierin Vincenz, der sich ebenfalls im Gerichtsaal befindet. Wie «Blick» schreibt, wirkt er unruhig. Immer wieder blicke er auf sein Handy oder lehne sich weit in seinem Stuhl zurück. Stocker wiederum bleibe bisher sehr souverän.
09.44: Nächste Station ist das Geschäft mit Eurocaution. Als Aduno (heute Viseca) 2012 in einer schweren Krise war, schaute sich Stocker nach neuen Geschäftsfeldern um – eines davon waren Mietkautionen.
Über Vincenz, so der Angeklagte, habe er Eurocaution kennengelernt und auch dort investiert. Weil es mit den Eignern aber «nicht funktioniert hat», wandelte Stocker seine Aktienanteile in ein Darlehen um.
09.22: Welche Beziehung hatte Stocker zu der Raiffeisenbank? «Ich war bis Mai 2011 bei Aduno», zitiert der «Tages-Anzeiger» den Angeklagten. Direkt danach habe er Raiffeisen neue Geschäftsideen präsentiert und dann «gleich einen Auftrag von der Bank erhalten». Dort sei er 50 bis 60 Prozent angestellt gewesen.
09.16: Die Anklage wechselt zu der Firma Investnet. Dort soll Stocker eine «stille Beteiligung» von 25 Prozent gehabt haben. Später soll er einen Teil seiner Beteiligung an Vincenz weitergereicht haben, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Letzteres bestreitet der Angeklagte aber.
Der Richter will nun wissen, warum es eine Geheimhaltungsklausel über die Beteiligung gab. Man wollte die Beteiligung vertraulich behandeln, um weitere Ressourcen an Land ziehen zu können, antwortet Stocker.
09.08: Als Nächstes geht die Anklage auf die Geldflüsse ein. Demnach sollen zwei Millionen und 1,4 Millionen Franken im Jahr 2014 an Vincenz ausbezahlt worden sein.
Bei der ersten Überweisung, so Stocker, habe es sich um ein Darlehen gehandelt. Dieses solle Vincenz zum Zeitpunkt seiner Pensionierung zurückzahlen – was bis jetzt aber nicht geschah.
«Die Sicherheit, die er mir gab, war immer, er habe viel Geld in der Pensionskasse», zitiert «Blick» den angeklagten Stocker. Weil die Untersuchung aber schon seit vier Jahren laufe, sei auch «die ganze Rückzahlungsdiskussion wie auf Eis gelegt».
09.06: Auch bei der Übernahme von Cashgate durch die Genève Credit Leasing (GCL) war Stocker involviert. Doch: «Ich habe nicht im Interesse meiner Aktienposition darauf Einfluss genommen», so sein Statement dazu.
08.47: Nun geht es um den Fall Commtrain. Der Vorwurf: Vincenz und Stocker sollen sich über die Ifinance AG an der Firma beteiligt haben, ehe sie von Aduno (heute Viseca) aufgekauft wurde.
«Ich bestreite den Vorwurf immer noch, dass ich mich mit der Absicht an Commtrain beteiligt habe, um diese Beteiligung später an die Aduno zu verkaufen», zitiert der «Tages-Anzeiger» den Angeklagten.
Eine Beteiligung an der Firma bestreitet er aber nicht. Es habe sich, so Stocker, um ein privates Engagement gehandelt. Diesen Schritt bereue er nicht, jedoch hätte er aus heutiger Sicht zumindest den Verwaltungsrat von Aduno (heute Viseca) darüber informieren sollen.
Warum hat er über die Ifinance investiert habe, will der Richter wissen. Um einfacherer Investoren an Bord zu holen, erklärt Stocker. Einer davon war Vincenz. Er wollte Diskretion und stieg deshalb über die Firma ein.
08.35: Der Richter kommt nun auf die Spesen zu sprechen. So soll Stocker drei Firmenkreditkarten in Striplokalen und ähnlichen Etablissements verwendet haben. Kostenpunkt: Rund 16'000 Franken.
In der Vernehmung habe er gesagt, dass dies geschäftlich begründet war. «Was sagen Sie heute», zitiert der «Tages-Anzeiger» den Richter. «Das gleiche», entgegnet Stocker.
Er habe die Lokale immer zusammen mit Geschäftspartnern oder Mitarbeitenden besucht – etwa nach Verwaltungsratssitzungen oder einem Essen. «Es gab immer gute Gründe», so Stocker. Ausserdem seien die Lokale auch gute Kunden seiner Firma Aduno (heute Viseca) gewesen.
08.28: Als Nächstes will der Richter wissen, ob Stocker noch Kontakt zu Vincenz habe. Nein, nur über die Einvernahmen. Damit ist die Befragung zur Person abgeschlossen.
08.23: Der Richter startet – wie auch bei Vincenz gestern – mit der wirtschaftlichen Situation des Angeklagten. Er will wissen, wovon Stocker aktuell lebe. Seine Antwort: Von dem Verkauf der Netcetera-Gruppe.
Weiter schreibt der «Tages-Anzeiger», dass Stocker ein Vermögen von 25,2 Millionen hat – alles aus der letzten Steuererklärung zu entnehmen. Durch den Verkauf von Aktien seien zwischenzeitlich rund 5 Millionen Franken hinzugekommen.
08.15: Heute Mittwoch startet der zweite Prozesstag im Fall Pierin Vincenz. Den Auftakt macht sein Geschäftskollege Beat Stocker. Auch er ist wegen gewerbsmässigen Betruges, der Veruntreuung, Urkundenfälschung und weiteren Delikten angeklagt.
Sein unrechtmässiger Gewinn soll sich bei rund 16 Millionen Franken liegen. Auch Stocker soll für sechs Jahre ins Gefängnis.
Alle Eckdaten zum ersten Prozesstag
Heute beginnt Tag 2 des Monsterprozesses Pierin Vincenz. Nachdem zum Auftakt der ehemalige Raiffeisen-Chef selbst befragt worden ist, sind nun seine Mitangeklagten an der Reihe. Danach folgen Plädoyers von Staatsanwaltschaft, Privatklägern und Verteidigungen. Die Verhandlungen dauern noch mehrere Tage, bis in den März hinein.
Pierin Vincenz und sein Geschäftspartner Beat Stocker stehen wegen Betrugs und Ausgaben in Stripclubs auf Geschäftsspesen vor dem Zürcher Bezirksgericht. Der Banker soll bei Firmendeals der Raiffeisen auch an anderen Unternehmen beteiligt gewesen sein. Damit und mit den Besuchen in Rotlicht-Etablissements auf Geschäftsspesen sollen er und Stocker einen unrechtmässigen Gewinn von insgesamt 25 Millionen Franken eingestrichen haben. Fünf weiteren Personen wird Beihilfe vorgeworfen.
Im Volkshaus, wo der Prozess aus Platzgründen stattfindet, sagte Vincenz zu den Firmendeals, er habe nichts Falsches gemacht. Bei den Stripclub-Besuchen seien Geschäftspartner oder mögliche Partner dabei gewesen. Deshalb sei die Abrechnung auf Spesen gerechtfertigt.
Zum Ende des ersten Prozess-Tages sagte er: «Ich habe nicht das Gefühl, etwas Kriminelles unternommen zu haben.» Dies sieht die Staatsanwaltschaft naturgemäss anders und fordert deshalb sechs Jahre Haft.
Der Antrag vom Anwaltsteam von Pierin Vincenz, den Prozess wegen der Corona-bedingten Abwesenheit eines Mitbeschuldigten zu verschieben, wurde abgelehnt. Die Verteidiger dürften sich damit erhofft haben, das Verfahren so lange zu verzögern, bis einige Taten verjährt sind.