Räte einigen sich auf neues Tabakproduktegesetz
Das Parlament hat sich auf ein Tabakproduktegesetz mit neuen Werbe - und Sponsoringvorschriften geeinigt. Die Vorlage wird abgeschwächt.
Das Wichtigste in Kürze
- Ständerat und Nationalrat haben sich beim Tabakgesetz geeinigt.
- Berset rannte erfolglos gegen die wirtschaftlichen Argumente der bürgerlichen Mehrheit an.
- Das Thema kommt nun vor das Volk an die Urne.
Der Nationalrat hat am Mittwoch die letzten Differenzen in der Vorlage bereinigt. Die Urheber der Tabakwerbeverbotsinitiative sprechen von einer «Alibiübung».
Der letzte Akt bei den Beratungen stand sinnbildlich für die jahrelange Diskussion über das Gesetz: Die Ratslinke versuchte zusammen mit der GLP einen restriktiveren Umgang mit Tabakprodukten durchzusetzen, scheiterte aber.
Kein Verbot für Mentholzigaretten
Der Nationalrat wollte schliesslich nichts von einem Verbot von Mentholzigaretten wissen und folgte somit dem Ständerat.
Die bürgerliche Mehrheit im Parlament machte wirtschaftliche Argumente geltend. Ein Mentholverbot würde dazu führen, dass rund ein Viertel der in der Schweiz hergestellten Tabakprodukte nicht mehr hergestellt werden könnten, lautete der Tenor bei SVP-, FDP- und Mitte-Vertreterinnen und -Vertretern.
Bürgerliche Mehrheit schwächt BR-Vorlage ab
Ähnliche Argumente prägten die Debatte über das neue Tabakproduktegesetz in den vergangenen zwei Jahren. Wenn es darum ging, neue Rechtsvorschriften zu erlassen, die den Konsum von Tabakprodukten verringern sollten, wurde von bürgerlicher Seite immer wieder die Wirtschaftsfreiheit ins Feld geführt. Legale Produkte, die legal konsumiert werden könnten, dürften nicht zu stark reguliert werden, hiess es.
Die Folge war, dass die ursprüngliche Vorlage des Bundesrats in den Kernpunkten abgeschwächt wurde - etwa bei den Einschränkungen für Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring von Tabakprodukten. So soll Tabakwerbung in der Presse und im Internet auch künftig nicht grundsätzlich verboten sein. Das Verbot soll nur für Presseerzeugnisse und Internetseiten gelten, «die für Minderjährige bestimmt sind».
Zudem soll künftig auch von öffentlichem Grund aus einsehbare Plakatwerbung von Tabakprodukten und E-Zigaretten sowie Werbung in Kinos, in öffentlichen Verkehrsmitteln und Gebäuden und auf Sportplätzen verboten sein. Sponsoring soll verboten sein für Veranstaltungen in der Schweiz, wenn diese internationalen Charakter haben oder auf ein minderjähriges Publikum abzielen.
Berset enttäuscht
Gesundheitsminister Alain Berset zeigte sich am Ende der Parlamentsberatungen enttäuscht: Die Vorlage sei «kein grosser Fortschritt», sagte er. Die Voraussetzungen zur Ratifizierung der Rahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Tabakgebrauchs seien nicht erfüllt. Wegen fehlender Einschränkungen bei der Werbung und beim Sponsoring konnte die Schweiz das Abkommen bisher nicht ratifizieren.
Laut der Mehrheit des Parlaments handelt es sich bei der fertig diskutierten Vorlage um einen gangbaren Kompromiss, der wichtige Anliegen der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» aufgenommen hat. Die Initiative wird von Bundesrat und beiden Räten zur Ablehnung empfohlen.
Aus Sicht der Initianten ist der indirekte Gegenvorschlag eine «Alibiübung». Kinder und Jugendliche könnten nur dann wirkungsvoll vor dem Einstieg in den Tabakkonsum geschützt werden, wenn Werbung und Sponsoring sie nicht erreiche. Der Gesetzesentwurf biete zu viele Möglichkeiten für die Bewerbung von Nikotin- und Tabakprodukten. Gerade diejenigen Werbemassnahmen, die Jugendliche am stärksten erreichten, blieben mit der Gesetzesrevision weiterhin erlaubt.
Volk entscheidet 2022
Vor der Schlussabstimmung ist deshalb klar, dass Volk und Stände das letzte Wort haben werden bei der Tabakwerbung. Voraussichtlich im nächsten Jahr findet ein Urnengang dazu statt.
Die im Jahr 2019 von mehreren Gesundheitsorganisationen eingereichte Tabakwerbeverbotsinitiative fordert ein lückenloses Verbot für Tabakwerbung, die Kinder oder Jugendliche erreicht. Faktisch würde damit Zigarettenwerbung auf Plakaten im öffentlichen Raum verboten. Aber auch Kinowerbung, Inserate, Festivalsponsoring und Onlinewerbung für Tabak würden in Zukunft nicht mehr erlaubt sein.
Heute ist Werbung für Tabakprodukte nur in Radio und Fernsehen verboten. Zudem ist es untersagt, schädliche Produkte zu bewerben, die sich speziell an Jugendliche richten. Auch die kostenlose Abgabe von Werbeprodukten an Jugendliche ist nicht erlaubt. All diese Verbote sind zurzeit im Bundesgesetz über Lebensmittel geregelt und werden künftig ins neue Tabakproduktegesetz integriert. In mehreren Kantonen gibt es schärfere Regeln.